Entzauberte Zertifikatefonds?

Von Wegen Allwetter-Investments. Die rasant angestiegenen Volatilitäten haben bei Zertifikatefonds dieses Jahr im Schnitt zu Verlusten von rund sieben Prozent geführt. Nur zwei der 28 Produkte weisen überhaupt ein Plus auf. Und jetzt könnten in Deutschland auch noch Probleme mit der Abgeltungssteuer drohen. Funds | 22.04.2008 06:00 Uhr
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Der Markt für Derivate boomt weiter: Während im Februar des Vorjahres laut Zahlen des Deutschen Derivate Verbandes (DDV) noch 18.946 neue Zertifikate das Licht der Welt erblickten, waren es im Februar des laufenden Jahres bereits 44.388. Das entspricht einer schier unglaublichen Zahl von 2.113 Neuemissionen pro Handelstag. Insgesamt sind in Deutschland laut Hochrechnung des DDV per Ende Januar 131,3 Mrd. Euro in rund 312.000 Zertifikaten investiert. In Österreich ortet das heimische Zertifikate Forum ein zusätzliches Volumen von 12 Mrd. Euro. In den letzten 12 Monaten ist der österreichische bzw. deutsche Zertifikatemarkt damit, gemessen am Open Interest, um knapp 10 Prozent gewachsen. 

Ein Wachstum von dem Fondsgesellschaften im derzeitig stagnierenden Marktumfeld  - das Volumen des deutschen Fondsmarktes blieb im Zeitraum Februar 2007-2008 nahezu unverändert, der österreichische schrumpfte zwischen März 2007-2008 um rund 10 Prozent -  nur träumen können. Deswegen werden seit einigen Jahren auch Investmentfonds angeboten, die wiederum in Zertifikate investieren. Sie sollen dem Anleger die Auswahl aus dem mittlerweile unüberschaubaren Angebot abnehmen, sind untereinander aber teilweise sehr inhomogen, was deren Konstruktion betrifft. So weit, so gut.

Sechs Mrd. Euro in 28 Fonds

Mittlerweile sind in Österreich, Deutschland und der Schweiz bereits 28 verschiedene Zertifikatefonds zugelassen, welche zusammen ein Volumen von sechs Mrd. Euro aufweisen. Im Vergleich zum Jahreswechsel bedeutet dies jedoch ein deutliches Minus von 756 Millionen Euro oder 11 Prozent. Ein Großteil davon ist allerdings auf die negative Performanceentwicklung zurückzuführen, große Rücklösungen gab es (noch) keine.

Feuertaufe nicht bestanden

Generell geben sich die Fonds als Allwetter-Investments, die – je nach spezieller Ausrichtung – auch in schwierigen Börsenphasen dem Anleger noch eine ansprechende Rendite liefern sollen. Ein Anlageziel, dass sich traditionsgemäß die so genannten Absolute bzw. Total Return Fonds gesetzt haben.

Genau dieses Versprechen haben Zertifikatefonds – ebenso wie die meisten Absolute bzw. Total Return Fonds - aber zuletzt im Schnitt nicht eingehalten: So liegen auf Sicht der letzten 12 Monate nur zwei der insgesamt 23 Fonds, welche eine entsprechende Historie aufweisen, im Plus. Durchschnittlich verloren Zertifikatefonds über diesen Zeitraum sieben Prozent, im schlimmsten Fall gab es ein Minus bis zu 19 Prozent.

Missverstandene Werbung

„Der Eindruck, dass jeder Zertifikatefonds für jedes Börsenwetter geeignet ist, ist sicher falsch“, bringt es Jens Deidersen, Fondsmanager des Allianz-dit Bonus Barriere auf den Punkt. Denn neben offensiveren Produkten wie seinem Fonds gäbe es eben auch Zertifikatefonds für konservative Anleger, etwa den Allianz-dit Deep Discount welche auf 12-Monats-Sicht nur 0,3 Prozent verloren hat. Anleger sollten sich vor dem Kauf genau informieren bzw. beraten lassen.  „Wie vor jeder Anlageentscheidung sollte sich der Investor ausreichend über die Strategie und das damit verbundene Risiko des jeweiligen Zertifikatefonds informieren.“

Was ist passiert?

Auslöser für das relativ bescheidene Abschneiden der meisten Zertifikatefonds ist, neben der starken Rückgänge der Märkte, die rasant gestiegene Volatilität. Synonym dafür war der 21. Januar 2008, als etwa der deutsche DAX an nur einem Tag 7,2 Prozent an Wert verlor und damit seinen schlechtesten Tag seit den World Trade Center Anschlägen am 11. September 2001 verzeichnete.

Die in den ersten Wochen des Jahres 2008 sprunghaftig angestiegenen Kursschwankungen haben etwa bei Bonuszertifikaten dazu geführt, dass viele Sicherheitsbarrieren berührt oder nach unten durchbrochen wurden. Die Zertifikate verwandeln sich dann sozusagen in Aktien und sind dementsprechend riskant. Zertifikatefonds, welche stark in Bonuszertifikaten mit engen Sicherheitsbarrieren investiert waren mussten starke Verluste erzielen: So fiel etwa der cominvest Zertifikate Stars allein in den drei Handelstagen zwischen 21. und 23. Januar um 12,8 Prozent. Aber auch die Fonds LBBW ZertifikateStrategie bzw. Allianz-dit Bonus Barriere brachen um mehr als zehn Prozent ein. „Das war bei dem starken Kurssturz aber auch zu erwarten, da Bonuszertifikate in Crash-Zeiten leider kurzfristig stärker verlieren als der Aktienmarkt“, gibt sich Deidersen wenig überrascht.

Etwas besser ging es Fonds, die in Discountzertifikaten investiert waren. Aber da der Anleger bei diesen indirekt neben dem Basiswert (Long) einen Call verkauft hat, wirkt sich auch hier die steigende Volatilität kurzfristig negativ aus. Denn dadurch wird die Option teurer, was auf den Preis des Zertifikates drückt. Profiteure steigender Volatilitäten sind generell z.B. Outperformance-Produkte (hier kauft der Anleger neben dem Basiswert einen Call und profitiert vom steigenden Optionspreis).

Die stabilsten Zertifikatefonds

Die Turbulenzen der letzten Monate relativ gesehen am besten umschifft haben jedenfalls folgende Fonds (Performance seit 29.6.2007 in %):

  1. High-Discountportfolio Universal (+2,6)
  2. HSBC Trinkaus Discountzertifikate (+0,4)
  3. Allianz-dit Deep Discount (-0,75)
  4. Berenberg Global Opportunity – Concept Portfolio (-3,5)
  5. NordConcept (-4)

Im Vergleich zu simplen Euro-Anleihenfonds, diese erzielten gemessen am Lipper-Fondskategorieschnitt über diesen Zeitraum +2,1 Prozent, relativiert sich das Abschneiden aber wieder.

Auch mittelfristiges Bild enttäuschend

Und auch mittelfristig erweisen sich Zertifikatefonds nicht als die versprochenen stabilen Renditebringer: So kamen alle 14 Fonds mit 2-Jahres-Historie durchschnittlich auf einen leichten Verlust von 0,1 Prozent p.a. Zum Vergleich: Euro-Staatsanleihen kamen gemessen am Citigroup EMU Government Bond Index auf 3,1 Prozent p.a., europäische Aktien (MSCI Europe Index) immerhin noch auf +0,2 Prozent p.a.

Die Volatilität von Zertifikatefonds lag über diesen Zeitraum bei durchschnittlich 9,4 Prozent p.a., was in der Mitte zwischen Aktien (MSCI Europe mit 17,2 Prozent) und Anleihen (Citigroup EMU Government Bond Index mit 3,4 Prozent) liegt.

Vorteile gegenüber Direktinvestments

Längere Zeitreihen sind leider noch nicht verfügbar, weshalb Anleger noch darauf hoffen können, dass die Produktanbieter aus den Ereignisse der letzten Monate dazulernen. Denn Zertifikatefonds haben gegenüber dem Direktinvestment in Zertifikate durchaus Vorteile: „Wir haben in unseren Fonds teilweise bis zu 30 verschiedenen Emittenten und streuen das Ausfallsrisiko dementsprechend. Gerade in Zeiten wackelndes Vertrauens in Banken ein wichtiger Punkt“, so Deidersen. Zudem seien die Kosten eines Investments in Zertifikate über Fonds gegenüber einem Direktinvestment günstiger: „Wir bekommen als Großanleger viel bessere Konditionen. Auch enthalten unsere Zertifikate keine Kosten für den Vertrieb des Zertifikats. Diese sparen wir uns auch“.

Auswirkungen der Abgeltungssteuer

Negativ könnte Anbieter von Zertifikatefonds aber die jüngsten Pläne des Deutschen Finanzministeriums treffen, in seinem Entwurf zum Jahressteuergesetz 2009 die Steuerfreiheit für Zertifikatefonds zu kippen. Laut Berichten der „Financial Times Deutschland“ sollen Erträge aus diesen Fonds der Abgeltungssteuer unterworfen werden, selbst wenn Anleger bereits vor dem 1. Januar 2009 in sie eingestiegen sind. Zertifikateanbieter hatten zuvor verstärkt ihre Produkte in Fonds verpackt, weil für Investmentfonds eine steuergünstigere Regelung gilt. „In unseren Fonds halten wir aber großteils gar keine Zertifikate, sondern bauen deren Strukturen an den Terminbörsen kostengünstiger nach“, erklärt Allianz-Fondsmanager Deidersen. Auch die DWS baut nach eigenen Angaben für Ihre Produkte Zertifikatestrukturen selbst nach. „Wie stark wir diese beimischen, ändert sich laufend je nach Marktsituation“, so DWS-Sprecher Claus Gruber. In wieweit die Abgeltungssteuer aber diese Strukturen trifft, sei noch nicht klar. "Derzeit warten wir auf den neuen Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz 2009 welcher in Kürze kommen soll", berichtet Frank Bock vom Bundesverband Investment und Asset Management (BVI).

Fazit

Dass sich auch Profis mit Zertifikaten ordentlich die Finger verbrennen können, zeigt das Abschneiden der Zertifikatefonds in diesem Jahr. Obwohl die Performance dieser Produkte anfangs gar nicht so schlecht war, stand die Feuertaufe in turbulenten Börsenzeiten bis dato aus (vergleiche auch „Best of both worlds?“ vom 24.10.2007). Nach der für viele Fonds nicht bestandenen Bewährungsprobe steht aber schon der nächste Schock für die noch junge Assetklasse bevor. Denn negativ könnte Zertifikatefonds auch jüngste Pläne des deutschen Finanzministeriums treffen, in seinem Entwurf zum Jahressteuergesetz 2009 die Steuerfreiheit für Zertifikatefonds zu kippen. Anleger sollten ihre Anlageentscheidungen aber sowieso nicht allein auf steuerliche Aspekte ausrichten, sondern die Fondsauwahl anhand der Kriterien Performance, Risiko und Kosten treffen. Und hier haben Zertifikatefonds durchaus noch Verbesserungspotential…  

Alle Daten per 8.4.2008 in Euro
Quelle: 

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