Das derzeitige Rating für strukturierte Finanzprodukte durch die internationalen Rating-Agenturen muss rasch geändert werden, fordert das CFA Institute Centre for Financial Market Integrity, die weltweit anerkannte Vereinigung der Finanzanalysten und Investment Professionals.
Anlass für diese Forderung ist die durch die US-Subprime-Krise ausgelöste Kredit- und Finanzkrise der letzten Monate. Charles Cronin, Leiter des CFA Institutes for Financial Market Intergrity, wies den Rating-Agenturen bei der Pressekonferenz von CFA Austria in Wien eine starke Mitverantwortung an der Subprime-Krise zu und forderte neue Regeln für die Einstufung solch strukturierter Wertpapiere.
Produkte in Verruf
Durch faule Milliardenkredite im so genannten Subprime-Markt in den USA waren strukturierte Finanzprodukte (CDos/CLOs) in Verruf geraten, da diese Kredite weltweit Teil von Investments von Hedge- bis Pensionsfonds waren. Deren Rating-Bezeichnungen wurden analog dem Rating von Staats- oder Unternehmensanleihen verwendet. Die internationalen Rating-Agenturen hatten damit eine Struktur geschaffen, auf die sich alle Marktteilnehmer verließen, die jedoch im Zuge der Subprime-Krise zu einem bösen Erwachen führte, da sich die den Finanzprodukten zugrunde liegenden Aktiva – auch bei gut gerateten Produkten – als nicht werthaltig erwiesen.
99 Liter Wasser und 1 Liter Gift
Cronin vergleicht strukturierte Finanzprodukte mit einer Flasche Wasser: „Man verteilt eine Flasche Wasser mit einem kleinen Anteil Gift auf drei verschieden große Flaschen, in denen der Prozentsatz des Giftes zwar unterschiedlich hoch ist, doch es ist vorhanden. Man fragt den Experten: Dann ist die erste Flasche 100 Prozent pures Wasser? Die zweite noch Trinkwasser? Die dritte tödlich? Im Fall der CDOs/CLOs waren die Rating Agenturen die Experten.“
Eigene Bezeichnungen
Um das Vertrauen in die internationalen Kredit- und Finanzmärkte sowie deren Bewertungen wieder herzustellen, fordert das CFA Institute jetzt rasche Änderungen. Cronin: „Am wichtigsten ist es, für strukturierte Finanzprodukte eigene Rating-Bezeichnungen und Kategorien einzuführen, um die verschiedenen fix verzinslichen Wertpapiere klar voneinander zu unterscheiden.“ Weiters setzt sich das CFA Institute dafür ein, den Zusatz „Investment Grade“ – als Gütezeichen für werthaltige Wertpapiere – bei strukturierten Produkten zu eliminieren und in Rating-Agenturen auch die verpflichtende Position eines Compliance Officers auf Geschäftsführerebene zu schaffen, der die Einhaltung von Verhaltenscodices überwachen soll.
Auch genaue und tiefgehende Analysen sollen Teil des Rating-Prozesses sein, verlangt das CFA Institute. Ebenso sollen einheitliche Standards, qualifiziertes Personal, ein hohes Maß an Transparenz und die Vermeidung von Interessenskonflikten dafür sorgen, dass Ratings weniger fehleranfällig und aussagekräftiger werden, so die Forderungsliste des CFA Institutes.
Initiativen der französischen EU Präsidentschaft
Mit der Übernahme der EU Präsidentschaft durch Frankreich ist es vorstellbar, dass Rating-Agenturen zu einer Registrierung ihrer Geschäftstätigkeit in Europa gezwungen werden. Die EU wird hier sehr konkrete Massnahmen planen. Experten sehen sogar die "Verstaatlichung" von Rating-Agenturen bzw. die Schaffung von öffentlichen Rating-Agenturen als möglichen Weg. Solange die Modelle der Rating-Agenturen sowie deren Annahmen intransparent bleiben, werden Investoren den Ratings mit Skepsis begegnen.
Unaufgeforderte Ratings: Emittenten unter Druck gesetzt
Vertreter von Aufsichtsbehörden verlangen auch ein Einstellen der unaufgeforderten Ratings von Wertpapiern zum Nachteil der Emittenten - zumeist um die Verrechnung von hohen Gebühren für die eingehende Bonitätsprüfung der Wertpapiere durch Rating-Agenturen rechtfertigen zu können (in der Praxis "Notching" genannt).
CFA Institute, CFA Austria
Das CFA Institute Centre for Financial Market Integrity ist eine international renommierte Vereinigung von Investment Professionals mit 95.000 Mitgliedern in 134 Ländern. CFA steht für Chartered Financial Analyst und ist der Titel, den diejenigen tragen dürfen, die alle drei Teilprüfungen des CFA Institutes, die einmal im Jahr weltweit stattfinden, absolvieren und zusätzlich vier Jahre branchenspezifische Berufserfahrung nachweisen. CFA-Mitglieder verpflichten sich zur Einhaltung höchster ethischer Standards.
CFA Austria wurde im Jahr 2001 gegründet und war damals die 101. lokale Vereinigung des CFA Institutes. CFA Austria verfolgt als lokaler Verein dieselben Ziele wie CFA Institute und will in Österreich die erste Adresse für die Weiterbildung und die Ausbildung sein, die viele Mitglieder der Branche anstreben. Nicht zuletzt fungiert CFA Austria als Ansprechstelle für ethische Fragen, Integrität und „best practice“ in der Finanzbranche in Österreich. Vor kurzem wurde der CFA Austria Preis 2008 ins Leben gerufen, der mit 2.500 Euro dotiert ist und im Herbst 2008 erstmals im Rahmen eines Galaabends für die beste universitäre Diplomarbeit aus dem Themenbereich „Investments“ verliehen wird.