Wer soll das bezahlen? Teil 1

Die Finanzkrise beschäftigt Investoren, Finanzinstitute, Notenbanken und Politik. Wie die Fakten, Handlungen der Marktteilnehmer und zukünftige Entwicklungen einzuordnen sind, erklärt Philipp Vorndran, Senior Investment Strategist der Credit Suisse im Gespräch mit e-fundresearch.com (Teil 1 von 3). Funds | 09.09.2008 05:54 Uhr
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e-fundresearch.com: "Herr Vorndran, seit mehr als einem Jahr beschäftigen sich Investoren und Asset Manager mit ´Subprime´ und ´Kreditkrise´. In welcher Situation befinden wir uns derzeit?" Philipp Vorndran: "Die entscheidende Frage ist die folgende: Kann es sein, dass wir inzwischen in eine Phase hineinrutschen, in der wir das Finanzsystem auf Kosten der Solidität des Staates retten wollen? Ein Teil der Ausfälle kann sicher über Kapitalerhöhungen aufgebracht werden und ein weiterer Teil über das klassische Bankgeschäft. Es kann jedoch bei sehr hohen Ausfällen trotzdem noch eine Riesenlücke bleiben. Was machen wir dann? Wer soll das bezahlen? Wenn ich mir dann noch überlege, was die Zentralbanken derzeit an Sicherheiten akzeptieren und auf ihre Bücher nehmen, dann läßt die Frage nach der Solidität und auch der Unabhängigkeit die Zentralbanken nicht gerade im positivsten Licht erscheinen."

e-fundresearch.com: "Wohin führt diese Entwicklung? Sind wir auf dem Weg in eine noch größere Krise?"

Philipp Vorndran: "Derzeit wird die Zentralbankpolitik zunehmend auf die Rettung des Finanzsystems ausgelegt. Dies ist natürlich von außen betrachtet einfacher als in der Rolle eines Zentralbankers, den der Ruf eines Finanzministers nach mehr Liquidität für die Banken oder mehr Unterstützung für wackelnde Hypothekenbanken erreicht. Diese Vorgänge sind natürlich kritisch zu hinterfragen und da müssen auch langfristige Lösungen entwickelt werden um aus dieser Situation wieder herauszukommen. Fest steht, dass wir uns in einem System verfangen haben, das auf ´moral hazard´ basieren muß, weil wir uns bei der Größenordnung der einzelnen Spieler einen Konkurs kaum mehr leisten können."

e-fundresearch.com: "Welches Stück des Weges in der Krise liegt bereits hinter uns?"

Philipp Vorndran: "Man könnte argumentieren, dass wir uns irgendwo in der Hälfte der Wegstrecke befinden. Die Frage ist natürlich auch, welchen Teil der Wegstrecke von privaten Finanzinsitutionen alleine zurückgelegt werden muß, oder ob man den Banken signalisiert, dass alle Bankschulden bis zum letzten Heller vom Staat sichergestellt werden und eine Staatsgarantie ausgesprochen wird. Wenn das so ist, dann haben wir am Wochenende mit der Rettung der zwei US Hypothekenbanken vielleicht sogar schon das Ende des Weges gesehen."

e-fundresearch.com: "Ist damit der Ausweg in Sicht oder doch noch nicht."

Philipp Vorndran: "Da ich aber davon ausgehe, dass wir aus ähnlichen Löchern, beispielsweise US Monoliner oder große US Automobilunternehmen nochmals massive Belastungen und ähnliche Nervositäten sehen werden, bleibe ich bei meiner Einschätzung, daß wir die Hälfte der Wegstrecke durchschritten haben und die zweite Hälfte der Wegstrecke ähnlich anstrengend und schwierig sein wird."

e-fundresearch.com: "Befinden wir uns vielleicht sogar auf dem Weg zu einer noch größeren Krise?"

Philipp Vorndran: "Für mich gibt es zwar noch keinen Ausweg aus dem System - außer der Staat erklärt alle Schulden per Dekret zu Staatsschulden. Eine noch größere Krise kann ich mir eigentlich kaum vorstellen. Ich glaube nicht, dass wir im Finanzsystem eine noch größere Vertrauenskrise durchlaufen werden als derzeit. Die Kunden sind innerlich sehr aufgewühlt. Die Vertrauenskrise gegenüber den Finanzhäusern ist sehr groß. Es würde mich aber nicht wundern, wenn wir uns in zwei oder drei Jahren über eine Krise der Staaten und der Staatshaushalte und der Zentralbanken unterhalten würden. Und ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir irgendwann vor der Frage stehen, ob wir die Zentralbankaufgaben trennen sollten - einerseits die Sicherstellung der Geldwertstabilität und andererseits die Sicherung der Finanzplatzstabilität. Das ist ja heute alles in einer Hand und die aktuelle Situation zeigt, dass es nicht ganz so einfach ist, diese vielen Bälle zu jonglieren.


Morgen lesen Sie im Teil 2 dieser Serie, wie Philipp Vorndran die Auswirkungen der Finanzkrise auf die Realwirtschaft einschätzt.



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