Wer soll das bezahlen? - Teil 2

Die Finanzkrise beschäftigt Investoren, Finanzinstitute, Notenbanken und Politik. Wie die Fakten, Handlungen der Marktteilnehmer und zukünftige Entwicklungen einzuordnen sind, erklärt Philipp Vorndran, Senior Investment Strategist der Credit Suisse im Gespräch mit e-fundresearch.com (Teil 2 von 3). Funds | 10.09.2008 05:54 Uhr
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

e-fundresearch.com: "In der Geschichte gab es bereits zahlreiche Krisen, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verändert hatten. Gibt es historische Vergleiche zur aktuellen Situation oder betreten wir hier Neuland?"

Philipp Vorndran: "Es gab in der Geschichte eine ganze Reihe von Krisen. Mir haben jedoch auch führende Bankmanager zuletzt gesagt, dass sie in Ihrer langjährigen Berufslaufbahn so eine Krise wie die aktuelle noch nicht erlebt hatten. In den letzten 30 bis 40 Jahren gab es wohl auf den Finanzmärkten kaum eine vergleichbare Notsituation. Das Interessante ist jedoch, dass der Bürger und Konsument diese Notsituation noch gar nicht spürt. Das ist für mich das frappierende an dieser Krise, dass man gegenwärtig in der Lage ist, sie von der Realwirtschaft zu isolieren. Das ist sicherlich auch die Zielsetzung, die sich Regierungen und Zentralbanken gesetzt haben: eine Krise im Finanzmarkt ablaufen zu lassen, ohne dass man Auswirkungen auf die Realwirtschaft hat. Meiner Meinung werden die verfügbaren Kreditfazilitäten für Unternehmen und Konsumenten zurückgehen und wir werden eine neue Form der Kreditvergabepolitik - auch speziell auf der Konsumebene - wie wir sie in den letzten zehn Jahren gesehen haben, so nicht mehr sehen werden. Das wird à la longue Auswirkungen haben auf das Konsumentenverhalten. Im Moment sehen wir das sehr stark in den Sentimentindikatoren als im Einzelhandel. Deswegen würde mich es nicht wundern wenn wir in irgendwann in zwölf Monaten die Finanzmarktkrise halbwegs überstanden haben, dass die Auswirkungen auf die Realwirtschaft aber viel länger dauern dürften."


Den ersten Teil zu dieser Reihe finden Sie HIER.


e-fundresearch.com: "Dies bedeutet also, dass derzeit die Krise scheinbar noch unter Kontrolle ist."

Philipp Vorndran: "Das ist für mich das Interessanteste. Es ist im Moment eine isolierte Krise, die sich derzeit nur stimmungsmäßig durchschlägt. Es überrascht mich jedoch schon mit welcher Nonchalonce Politiker in Europa teilweise immer noch von Boom sprechen, wo es doch bereits Volkswirtschaften gibt - wie beispielsweise Spanien - wo man aufgrund der extremen Abhängigkeit vom Häusermarkt schön langsam spürt, dass diese Krise in die Realwirtschaft hineinbeisst. Es gibt angesichts der Dramatik der Krise im Finanzsystem beim Konsumenten zur Zeit noch relativ geringe Auswirkungen."

e-fundresearch.com: "Mit welchen konkreten Auswirkungen müssen wir potenziell rechnen?"

Philipp Vorndran: "Wie erwähnt, primär im Bereich der Kreditvergabe. Vor allem kann man davon ausgehen, dass die Kreditvergabestandards nach oben gehen werden. Ich möchte auch nicht ausschliessen, dass wir aus dieser Veränderung der Kreditlandschaft neue Kreditvergabestrukturen bekommen könnten. Dass Unternehmen beispielsweise Zahlungsziele verlängern könnten oder dass sich wieder so etwas ähnliches wie genossenschaftliche Bankstrukturen bilden könnten. Oder dass sich Konsumenten wieder gemeinsam zusammenspannen oder auch Produzenten und Handel um das Banksystem in einer Phase restriktiver Kreditvergabe zu umgehen. Für mich ist ganz klar. Die Kreditvergabe wird sich reduzieren und die extrem niedrige Sparquote muss sich wieder anpassen."

e-fundresearch.com: "Und wenn das nicht gelingt?"

Philipp Vorndran: "Wenn wir das nicht schaffen, kaufen wir uns mit diesen Interventionen nur Zeit bevor in ein bis zwei Jahren der Schlag umso dumpfer wird. Alleine als Staat Geld in das Finanzsystem zu pumpen, ohne nachhaltige Veränderungen im Konzept zu fordern, ist für mich nicht nur naiv, sondern auch grob fahrlässig."

e-fundresearch.com: "Da stehen die Staaten aber vor grossen Herausforderungen."

Philpp Vorndran: "Klar, der Staat ist jetzt am Drücker. Die Unternehmen haben gar keine andere Wahl und da sollte natürlich auch der Staat mit der Vergabe der Liquidität knallhart neue Strukturen vorgeben, die wieder in Richtung eines seriöseren Aufbaus der Bank Business-Modelle abzielen."

e-fundresearch.com: "Wie bewerten Sie die bisherigen Reaktionen und Handlungen der wichtigen Zentralbanken?"

Philipp Vorndran: "Derzeit gilt bei den Zentralbanken eine jeweils unterschiedliche Maxime. Die EZB hat immer noch die Maxime die Inflation zu bekämpfen und Preisstabilität zu bieten. Deswegen hat sie die Zinsen erhöht. Die Federal Reserve hat die Wirtschaftsstimulation als Maxime. Jede der Zentralbanken war bestrebt, diese Maximen hochzuhalten, war jedoch durch diese Krise auch bereit, die Befolgung der Maximen temporär hinanzustellen. Es ist natürlich viel leichter von aussen zu kritisieren. Was mich jedoch wirklich wundert ist, dass man mit der Liquiditätsvergabe keine klaren Richtlinien aufgestellt hat, die eine Wiederholung der aktuellen Situation verhindern könnte."

e-fundresearch.com: "Wie umfangreich kann die Kreditkrise die Realwirtschaft in den USA, Europa und in anderen Regionen treffen?"

Philipp Vorndran: "Selbstverständlich gibt es bei einer Abschwächung in einer Region auch Auswirkungen in anderen Regionen. Wenn sich die Konjunktur in den USA abschwächt, wirkt sich dies auch auf Exportmärkte in anderen Regionen aus. Man wird natürlich versuchen, auf Nachfrage in der heimischen Volkswirtschaft umzustellen, aber Auswirkungen werden bleiben. Die spüren auch Volkswirtschaften in den Schwellenländern. Diese haben natürlich angesichts ihrer Währungsreserven auch ein bestimmtes Instrumentarium zur Steuerung ihrer Währungen zur Verfügung."

e-fundresearch.com: "Was bedeutet dies für die Weltkonjunktur?"

Philipp Vorndran: "Grundsätzlich müssen wir davon ausgehen, dass die Weltwirtschaft in den nächsten Jahren unter dem Potenzialwachstum wächst und nicht nur die Volkswirtschaften in den USA und in Europa."


Morgen lesen Sie im abschließenden Teil 3 dieser Serie, wie Philipp Vorndran die Auswirkungen der Finanzkrise auf einzelne Assetklassen sieht.



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