Der Euro ist keine Krisenwährung

Martin Hüfner, volkswirtschaftlicher Berater des führenden österreichischen Discount-Brokers direktanlage.at, sieht in den unterschiedlichen Zinssätzen der EU-Länder Chancen für Anleger. Der Euro zeige sich in der Krise bemerkenswert schwach. "Was wir derzeit auf den Devisenmärkten erleben ist eine für viele unerwartete Erfahrung", sagt Hüfner. Funds | 13.11.2008 05:59 Uhr
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"Als die Weltwirtschaft in den letzten Jahren boomte, wertete sich der Euro permanent auf. Seit aber das Thema Rezession auf den Radarschirmen auftauchte, geht es mit dem Euro wieder deutlich nach unten." In den letzten 3,5 Monaten habe sich dieser gegenüber dem Dollar um über 20 Prozent abgewertet.

Wie kommt es, dass der Euro in der Krise so schwach ist?

Die Euro-Schwäche wird heute vielfach mit der gesunkenen Risikoneigung auf den Märkten erklärt. "Sie führt dazu, dass Carry-Trades - also die Aufnahme von Krediten in Niedrigzins-Währungen und die Wiederanlage in Hochzinswährungen - aufgelöst werden", erklärt Hüfner. "Davon profitieren vor allem der japanische Yen, der Schweizer Franken, zum Teil auch der US-Dollar. Der Euro wird offensichtlich nicht als sicherer Hafen angesehen. Das überrascht auf den ersten Blick. Denn Fundamental steht die europäische Wirtschaft nicht schlechter da als die US-amerikanische."

Der Grund für die Euro-Schwäche liege jedoch nicht im Verhältnis zu den USA, sondern in Spannungen innerhalb der Währungsunion. "Bester Indikator dafür sind die Unterschiede in den Zinssätzen. Während 10-jährige deutsche Bundesanleihen heute mit 3,80 Prozent rentieren, liegt der Zins für vergleichbare Staatsanleihen Griechenlands bei 5,40 Prozent, das sind 160 Basispunkte mehr", so Hüfner. In Italien müsse die öffentliche Hand 4,9 Prozent zahlen, in Portugal 4,8 Prozent, in Spanien 4,5 Prozent.

Unterschiedliche ökonomische Gegebenheiten in den einzelnen Ländern

"Selbst in Österreich, dessen Zinsen schon häufig unter denen der Bundesrepublik gelegen hatten, liegt die Kapitalmarktrendite derzeit um 70 Basispunkte über der deutschen. Das ist ungewöhnlich. Solche Differenzen hat es seit der Gründung der Währungsunion noch nicht gegeben", betont der Experte von direktanlage.at.

Das hänge zum einen mit den unterschiedlichen ökonomischen Gegebenheiten in den einzelnen Ländern zusammen. Zum anderen gebe es im politischen Bereich Unstimmigkeiten. "Integration und Zusammenarbeit sind in einer rezessiven Umgebung offenbar schwieriger", meint Hüfner. "Schließlich spielt in den Augen vieler Anleger eine Rolle, dass es in der Europäischen Union keinen Haftungsverbund gibt. Es ist ausdrücklich vereinbart, dass die Gemeinschaft in einer Krise nicht für ein einzelnes Land einstehen wird. Theoretisch könnte man mit Griechenland also das erleben, was andere in Island erfuhren."

Was soll der Anleger tun?

In Europa könne man sich trotz aller Skepsis Staatsanleihen etwa aus Griechenland anschauen. Hüfner: "Ich bin fest davon überzeugt, dass die Gemeinschaft trotz der offiziellen non bail-out Klausel kein einzelnes Land hängen lassen wird. Denn in einem solchen Fall würde die Spekulation neue Opfer - etwa Italien oder Portugal - ausmachen und sie ebenfalls herauszudrängen versuchen. Dann wäre das gesamte Projekt Europa tot."

Im schlimmsten Fall könne es laut Meinung von Hüfner zu Verzögerung bei Zins- und Tilgungszahlungen von griechischen Anleihen kommen: "Wer den Griechen nicht trauen will, der kann wenigstens den hohen Spread zum Beispiel bei deutschen Bundesanleihen gegenüber Österreich nutzen."


Zum Autor: Martin Hüfner war viele Jahre Chefvolkswirt bei der HVB und Senior Economist bei der Deutschen Bank. Heute berät er Finanzdienstleister und schreibt für verschiedene Publikationen. Hüfner ist seit 2006 volkswirtschaftlicher Berater des führenden österreichischen Discount-Brokers direktanlage.at.


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