Es würde dabei nur verlieren. Ohne den Euro würden sich die Wechselkurse der schwächeren Länder stark abwerten. Die Inflation nähme zu. Die Zinsen würden ansteigen. Die Staatsschulden würden sich erhöhen. Rezession und Arbeitslosigkeit wären noch schlimmer.
Kürzlich sagte mir ein Banker in Italien, er gehe davon aus, dass es den Euro in fünf Jahren nicht mehr gebe. Solche Meinungen sind in diesen Wochen kein Einzelfall. Als Folge davon hat sich die Gemeinschaftswährung auf den Devisenmärkten abgeschwächt, nicht nur gegenüber dem Dollar, sondern auch gegenüber dem Schweizer Franken und sogar dem britischen Pfund. Müssen wir ein Auseinanderbrechen des Euro befürchten?
UI-ChampionsCall mit ProfitlichSchmidlin: „Wir graben tiefer“ - Opportunitäten für langfristige Unternehmensbeteiligungen und Anleihe-Sondersituationen
„Wir graben tiefer“ - Opportunitäten für langfristige Unternehmensbeteiligungen und Anleihe-Sondersituationen„Im Jahr 2023 sind die Fundamentaldaten bei unseren Beteiligungen mit den Aktienkursen weit...Gründe für den Zerfall des Euros
Gründe dafür gäbe es genug. Innerhalb der Eurozone haben sich die Ungleichgewichte zwischen den einzelnen Staaten deutlich ausgeweitet. Deutschland hat einen riesigen Leistungsbilanzüberschuss gegenüber Defizitländern wie Spanien, Portugal oder Italien. Die Wettbewerbsfähigkeit der Spanier hat sich in den letzten zehn Jahren gegenüber den Deutschen um 16% verschlechtert, die der Iren sogar um 26%. Es ist klar, dass dies auf Dauer so nicht aufrecht zu erhalten ist.
Entsprechend haben sich die Risikozuschläge ausgeweitet, die einzelne Staaten bei der Kreditaufnahme bezahlen müssen. Griechische Staatsanleihen rentieren heute bei zehn Jahren Laufzeit mit 5,8%, italienische mit 4,2%, österreichische mit 4,1% (Deutschland 2,9%). Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Zinsen in Österreich noch unter denen in der Bundesrepublik lagen. Natürlich waren damals die Risikozuschläge zu niedrig. Aber heute sind sie zu hoch. Hinter diesen Aufschlägen steht die Angst, es könne in einzelnen Ländern zu Zahlungsproblemen kommen, am Ende vielleicht zu einem Staatsbankrott.
Währungsunionen bedürfen einem stabilen politischen Umfeld
Bei der Gründung der Währungsunion war jedermann klar, dass sie auf Dauer nur funktionieren kann, wenn sie durch eine politische Union abgesichert ist. In der Wirtschaftsgeschichte hat bisher keine größere Währungsunion gehalten, die nicht in einen politischen Verbund eingebunden war.
Die Währungsunionen innerhalb des Deutschen Reiches oder innerhalb der Vereinigten Staaten beispielsweise waren stabil. Die Lateinische Münzunion zwischen Frankreich, Belgien, der Schweiz, Italien und Griechenland zerbrach dagegen nach 60 Jahren, die skandinavische Münzunion (Dänemark, Schweden, Norwegen) nach 40 Jahren.
Kein Land wird aus der Währungsunion ausscheiden
Trotz dieser Probleme bin ich davon überzeugt, dass der Euro nicht zerfallen wird. Der wichtigste Grund: Kein Land hat heute ein Interesse, aus der Währungsunion auszuscheiden. Es würde dabei nur verlieren. Ohne den Euro würden sich die Wechselkurse der schwächeren Länder stark abwerten. Die Inflation nähme zu. Die Zinsen würden ansteigen. Die Staatsschulden würden sich erhöhen. Sie wären schwerer zu refinanzieren. Rezession und Arbeitslosigkeit wären noch schlimmer. Auch für relativ starke Länder wie Deutschland wäre das Leben ohne Euro schwerer. Die Wechselkurse würden sich aufwerten. Die protektionistischen Gefahren würden zunehmen. Der Export würde noch mehr leiden mit entsprechenden Konsequenzen für Rezession und Arbeitslosigkeit. Es sind solche Überlegungen, die dazu führen, dass selbst der sehr stark allein auf die Interessen seines eigenen Landes fixierte deutsche Finanzminister Hilfen für bedrängte Partner in der Eurozone nicht mehr so kategorisch ausschließt wie bisher.
Derzeit will aber nicht nur niemand den Euro verlassen. Es wollen auch neue Mitglieder in die Gemeinschaft. Der Euro ist so attraktiv wie nie zuvor. Die Slowaken sind heilfroh, dass sie in diesem Jahr beigetreten sind, weil ihnen dadurch die Abwertung der Währung erspart geblieben ist, unter der die anderen zentraleuropäischen Länder leiden.
In Polen und der Tschechischen Republik, natürlich auch in Ungarn, den baltischen Staaten, Bulgarien und Rumänien wird überlegt, ob man nicht früher dem Euro beitreten kann. Freilich wäre es eine Katastrophe, wenn die Eurozone dem nachgeben und Länder aufnehmen würde, die nicht die formellen Maastricht-Kriterien erfüllen. Das würde allen schaden, weil es die stabilitätspolitische Grundlage des Euro und seine Reputation auf den Devisenmärkten nachhaltig gefährden würde. Glücklicherweise können wir darauf vertrauen, dass die Europäische Zentralbank dem nicht nur nicht zustimmen, sondern es auch mit allen Mitteln zu verhindern versuchen würde.
Der Euro als die Geschäftsgrundlage Europas
Einem Zerfall des Euro steht auch entgegen, dass damit der europäischen Idee die Basis entzogen würde. Der Euro ist in den letzten zehn Jahren zur „Geschäftsgrundlage Europas“ geworden. Er kreiert und repräsentiert wie nichts anderes die europäische Idee. Wenn man ihn preisgeben würde, wären die Arbeit und die Erfolge der letzten fünfzig Jahre europäischer Einigung und die Schaffung einer europäischen Friedensordnung gefährdet. Politiker sind sicher oft pragmatisch und gehen Kompromisse ein. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass sie alle zusammen (nicht nur ein Einzelner) dieses Fundament auf’s Spiel setzen würden.
Zu bedenken ist auch: Eine Währung kann man im Zeitalter der globalen Verflechtung nicht einfach wie ein Hemd wechseln. Es hat Jahre gedauert hat, um den Euro in die Computersysteme der Banken und Unternehmen einzuführen. Ebenso schwierig und zeitraubend wäre der Übergang zu einer neuen Währung. Dies umso mehr, als viele paneuropäisch tätige Unternehmen inzwischen europaweite Zentren zur Zahlungsabwicklung haben.
Wechselkurse können Union nichts anhaben
Aber selbst wenn keiner der Euro aufgeben will: Könnte es nicht sein, dass der Markt den Zerfall des Euro erzwingt? So wie er früher das System fester Wechselkurse gesprengt hat? Das geht hier freilich nicht so einfach. Denn in einer Währungsunion gibt es keine Wechselkurse, die die Zentralbanken verteidigen müssen. Hier könnte der Markt nur auf einen Anstieg der Risikospreads spekulieren, also etwa griechische Staatsanleihen verkaufen und Bundesanleihen kaufen. Das würde die Griechen unter Druck setzen, weil sie mehr Zinsen zahlen müssten. Das wäre schmerzhaft. Aber es gibt hier keine festen Grenzen, die zu verteidigen sind. Zudem können die Notenbanken dem durch innergemeinschaftliche Swap-Arrangements oder sonstige Hilfen entgegenwirken, die freilich jeweils mit harten stabilitätspolitischen Auflagen verbunden sein müssen.
Die Konsequenz für den Anleger: Gehen Sie davon aus, dass es den Euro auch noch in zehn Jahren geben wird. Was passieren kann ist, dass Gemeinschaftswährung auf den Devisenmärkten noch schwächer wird. Die Risikozuschläge bei den Renditen für einige Staaten Südeuropas, Österreichs und Irlands können weiter steigen. Manch einer mag die höheren Renditen für kaufenswert halten. Ich rate dabei allerdings zu Vorsicht. Natürlich werden die Papiere bei Fälligkeit zum Nominalwert zurückgezahlt und der Anleger kann damit eine Zusatzrendite erwirtschaften. Andererseits ist nicht auszuschließen, dass es während der Laufzeit zu dramatischen Entwicklungen kommt und sich Zahlungen vielleicht auch manchmal zeitlich verzögern. Wer ruhig schlafen will, sollte nicht nach den höchsten Renditen streben.
Über Dr. Martin Hüfner:
Martin Hüfner war viele Jahre Chefvolkswirt bei der HVB und Senior Economist bei der Deutschen Bank. Heute berät er Finanzdienstleister und schreibt für verschiedene Publikationen. Hüfner ist seit 2006 volkswirtschaftlicher Berater des führenden österreichischen Discount-Brokers direktanlage.at.