Wachstum in Schwellenländern
Der Anteil der Schwellenländer am weltweiten Wirtschaftswachstum ist in den letzten Jahren stark angestiegen. Lutz-Peter Wilke: "Dass in China hohe Investitionen getätigt wurden, war bekannt. Was wirklich überrascht hat, war die steigende Produktivität in China und anderen asiatischen Ländern in den letzten fünf Jahren." China könne bereits in einigen Bereichen als Konkurrent von Deutschland und Japan auftreten.Ein weiterer, wichtiger Aspekt sind nach Ansicht von Wilke auch die Unternehmensinvestitionen, die zuletzt schwach waren. Die Margen hatten sich relativ gut gehalten und Unternehmen verfügen über hohe Cash-Bestände bzw. haben relativ wenig Schulden. In einigen Bereichen - beispielsweise im IT-Sektor - gibt es eindeutig Nachholbedarf. Was den Aufschwung allerdings bremsen könnte, ist die angespannte Situation auf dem Arbeitsmarkt in den USA. Eine Arbeitslosenrate zwischen 9 und 10 Prozent bremst das Konsumpotenzial der amerikanischen Haushalte.
Staaten tragen systemische Risiken
In den letzten beiden Jahren war auch eine dramatische Verlagerung der systemischen Risiken des Finanzmarktes von den Banken auf die öffentliche Hand zu beobachten. Um eine noch größere Krise abzuwenden, mußten die Staaten umfangreiche Konjunkturprogramme entwickeln und umsetzen. Weiters wurden durch drastische Zinssenkungen auf dem kurzen Ende die Refinanzierungskosten der Banken reduziert und damit die Restrukturierung ihrer Bilanzen unterstützt.
Lutz-Peter Wilke: "Das Problem ist, dass zwei wichtige Staaten, die USA und UK, noch keine glaubwürdigen Pläne zur Reduzierung der Defizite und keine tragfähige Fiskalpolitik vorgestellt haben." Eine Konsolidierung der Staatsfinanzen würde sich jedoch in allen Fällen wachstumshemmend auswirken. Die westlichen Industrieländer sind jedoch vom Wirtschaftswachstum abhängig, um ihre Defizite zu reduzieren und Schulden abzubauen.
Griechenland: nur noch 10 Tage Zeit
Abseits der oben dargestellten vier zentralen Herausforderungen für die Weltwirtschaft gibt es kurzfristig noch sehr wichtige Problemstellungen. Lutz-Peter Wilke: "Griechenland hat gerade nochmal 10 Tage Zeit, um bekanntzugeben, wie hoch das Defizit ist und auch nur noch 10 Tage Zeit um Investoren zu finden, die neue Staatsanleihen zeichnen. BlackRock ist der weltweit größte Investor in Staatsanleihen. Was uns in den letzten Wochen sehr beunruhigt hat, war der dramatische Zusammenbruch der Liquidität bei griechischen Staatsanleihen." Das Problem sei auch, dass Griechenland selbst nicht weiß, wie hoch das Defizit bzw. die Schulden eigentlich sind. Es gibt weiterhin viele Fragezeichen - vor allem auch hinsichtlich der Swap-Transaktionen, die die frühere Regierung abgeschlossen hat. Lutz-Peter Wilke: "Wir gehen davon aus, dass es die griechische Regierung in Zusammenarbeit mit der europäischen Union schafft, neue Anleihen aufzulegen. Die entscheidende Frage wird sein, ob das Problem nur ein Jahr verlängert wird, oder ob die Griechen es wirklich schaffen." Deutschland, Frankreich und die Schweiz als wichtige Gläubiger sind daran interessiert, den Griechen noch mehr Zeit zu geben. BlackRock als Anleiheninvestor geht davon aus, dass Griechenland es schaffen wird, das Defizit zu reduzieren und dass die Preise griechischer Staatsanleihen aufgrund der niedrigeren Liquidität auch attraktiv sein können. Das Problem wäre allerdings auch, dass sich viele Investoren nicht mit den wirklichen Problemen Griechenlands beschäftigt hätten.
Lutz-Peter Wilke: "Der Schuldendruck kann für die Eurozone zur Zerreißprobe werden. Gefragt sind nun Strukturreformen und transparente Strategien zum Schuldenabbau. Sowohl die Fiskaldefizite in Prozent des BIP als auch die Lohnkosten sind heute in der Eurozone sehr unterschiedlich. Vor allem in Spanien und Irland kann es zu deflationären Tendenzen bei den Lohnkosten kommen kann - was sicherlich nicht positiv für regierende Politiker ist."
Inflation oder Deflation?
Werden sich Investoren in Zukunft mit Inflation oder Deflation beschäftigen müssen? Lutz-Peter Wilke hat auf die schwierige Frage eine einfache Antwort: "Es wird sowohl Inflation als auch Deflation geben. In den westlichen Industrieländern ist eher mit Deflation zu rechnen und in Schwellenländern werden inflationäre Gefahren bekämpft werden müssen." Diese Situation gab es in dieser Form noch nie in der jüngeren Geschichte. Zumeist hatten sich Zentralbanken in den Entwicklungsländern an der Federal Reserve oder der EZB bzw. BOJ orientiert. Dieses Mal werden die asiatischen Zentralbanken einen eigenen Weg gehen - nach Einschätzung von Lutz-Peter Wilke gehen sie diesen Weg etwas zu vorsichtig.
Der schwache Arbeitsmarkt in den USA wirkt deflationär. In Europa und in den USA gibt es deswegen reale Gefahren einer Deflation, aufgrund stagnierender Arbeitskosten und zum Teil massiver Überkapazitäten im Immobilienbereich.
Der Aufstieg von China
Eine weitere, wichtige Herausforderung für die Weltwirschaft sei nach Einschätzung von Lutz-Peter Wilke der Aufstieg von China. Die USA als der größte Schuldner und China als großer Gläubiger der USA sind zunehmend miteinander verbunden. Lutz-Peter Wilke: "Die zentrale Frage wird sein, ob sich China in die ´westliche´ Weltordnung einfügen wird. Tendenziell würde ich das eher verneinen. Der Aufstieg von China ist jedoch ein langfristiges Anlagethema und die Finanzkrise hatte die Machtverlagerung von West nach Ost sogar noch beschleunigt." Allerdings müsse man auch berücksichtigen, dass der ´Staatskapitalismus´ umfangreiche Auswirkungen auf einzelne Marktsegmente haben kann, da teilweise ökonomische Gesetze außer Kraft gesetzt werden. Die Risiken in China bestehen darin, dass eine Überhitzung bzw. Inflation durchaus möglich ist und mit einer straffen Geldpolitik bekämpft wird. Weiters sollte auch nicht übersehen werden, dass der Einsatz von Kapital in China teilweise sehr ineffizient ist und Stimulierungsmaßnahmen oft deutlich geringere Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum haben, als ursprünglich erwartet wurde.