"Wir befinden uns in einer Liquiditäts-Hausse. Die Zinsen sind so niedrig wie noch nie, obwohl einige Zinstiefststände vielleicht schon im Sommer waren, wo 10-jährige deutsche Bundesanleihen nur mehr knapp über zwei Prozent waren - aktuell sind wir bei rund 2,40 Prozent. Wir glauben, dass die Zinsen weiterhin niedrig bleiben werden und die Liquidität wird die Aktienmärkte treiben. Das war auch in der Vergangenheit über die verschiedenen Zyklen immer so", erklärt Franz Gschiegl, Geschäftsführer der ERSTE-SPARINVEST im Rahmen einer Präsentation der Aktienfonds Produktpalette mit Fokus auf Asien in Hong Kong.
"Es gibt allerdings auch Faktoren, die Investoren verunsichert haben", betont Gschiegl. Dazu zählten die allgemeine Vertrauenskrise nach der schweren Finanzkrise im Jahr 2008, obwohl es danach bis in das Frühjahr 2010 hinein 12 Monate lang einen kräftigen Aufschwung an den internationalen Aktienbörsen gab.
Cash wird noch gehortet
"Tatsache ist, dass weltweit soviel Cash wie selten zuvor verfügbar ist. Die ´cash mountains´ sind enorm hoch - einerseits bei den Unternehmen in den USA, was daran liegt, dass sehr umfangreich gespart wurde und auch in diesem und im nächsten Jahr sehr gute Unternehmensergebnisse erzielt werden sollten. Andererseits wurde auch von privaten Haushalten viel Cash aus Unsicherheit über den besten Verwendungszweck gehortet. In Österreich liegen 158 Milliarden täglich fällig auf Sparbüchern bei einem durchschnittlichen Zinssatz von rund einem Prozent - zwischen einem halben Prozentsatz und eineinhalb Prozent", erläutert Gschiegl.
Steuerliche Belastungen helfen der Börse nicht
Die Österreicher zeigen sich traditionell vorsichtig was das Börsengeschehen betrifft, was durch die geplanten Massnahmen der Regierung auf der steuerlichen Seite nicht gestärkt wird. Durch neue steuerliche Belastungen werden nach Ansicht von Kapitalmarktteilnehmern die private Anleger nicht gerade für das Börsengeschäft motiviert - obwohl es auch in anderen Ländern Kursgewinnbesteuerung gäbe und dort auch die Börsen boomen könnten. Franz Gschiegl: "Die Cash-Bestände von Apple und Google würden genügen, um die Wiener Börse aufzukaufen - zumindest den Streubesitz, wahrscheinlich auch noch mehr."
Institutionelle Investoren müssen diversifizieren
Auch bei Versicherungen und Pensionskassen in Deutschland und Österreich gäbe es hohe Cash-Bestände. Die Investitionsquote in Aktien bei deutschen Lebensversicherungen lagen im Frühjahr auf historischen Tiefstständen - womit leider wieder ein Teil des Aufschwungs an den Aktienmärkte versäumt wurde.
Andererseits werden noch Anleihen mit Kupons von rund vier Prozent gehalten. In den kommenden Jahren müssten jedoch die neuen Prämienzuflüsse und Erträge zu niedrigeren Renditen wiederveranlagt werden, betont Gschiegl. Wenn danach mehr und mehr in Aktien investiert wird, könnte das einer jener Faktoren sein, die Aktienmärkte auch treiben könnten. Dieser Effekt sollte übrigens in mehreren Ländern zu beobachten sein. Man merke nach Einschätzung von Gschiegl auch, dass nach dem Wegfallen der Unsicherheit die Märkte in einen stetigeren Aufwärtstrend übergegangen sind und Korrekturen nach unten nicht mehr stark ausfallen würden. Bis zum Jahreswechsel könne diese Entwicklung anhalten.
Wie lange ist Cash noch King?
Franz Gschiegl: "Momentan überwiegt bei Investoren zum Teil noch das Sicherheitsdenken gegenüber dem Ertragsdenken. Dies wird sich jedoch wieder ändern. Es kommen institutionelle Kapitalsammelstellen in eine Situation, wo sie eine Rendite von drei bis vier Prozent kaum mit Geldmarktveranlagungen und kurzfristigen AAA-Anleihen bzw. Staatsanleihen im EU-Kernraum nicht mehr erreichen werden. Deshalb müssen diese Investoren sich weiter hinauswagen. Das Thema ´Corporate Bonds´ hatte sich bereits sehr gut entwickelt und sollte auch noch weiterlaufen. Auch bei High Yield Anleihen sei Spielraum gegeben."
ESPA rechnet damit, dass noch weitere Cash-Bestände an der Börse investiert werden - vor allem auch bei stabilen und leicht steigenden Zinsen, die jedoch noch nicht als Gift für die Aktienbörsen zu sehen wären, wenn sich die Wirtschaft erholt. Das wäre allerdings wieder ein ganz neues Kapitel.
Kein Krieg der Währungen
Da und dort gäbe es derzeit Scheingefechte auf der Währungsseite. Gschiegl geht jedoch nicht davon aus, dass es zu protektionistischen Massnahmen und einem Handelskrieg kommen wird. "Wahrscheinlicher ist eine Situation wie in den 60er und 70er Jahren zu Zeiten des kalten Kriegs. Es könnte eine Art Gleichgewicht der Kräfte geben - evt. auch ein Gleichgewicht der Angst - aber zumindest eine Form von Gleichgewicht. Die USA könnten sich nämlich derzeit gegenüber China - gemeinsam mit Japan der größte Investor in US Treasuries - keine Fehler erlauben. Andererseits ist sich auch China seiner wachsenden Rolle in der Weltwirtschaft bewußt."