Türkei-Fonds: Boom mit Fragezeichen

Der anstehender Regierungswechsel in Deutschland und der negative Ausgang der EU-Referenden haben einen Beitritt der Türkei zur EU in weite Ferne rücken lassen. An der Börse in Istanbul scheint das Kursfeuerwerk aber ungebrochen. Die Anzahl der Türkeifonds hat sich zuletzt sogar verdoppelt. Funds | 14.06.2005 09:45 Uhr
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Die Zeiten für die Türkei waren auch schon einmal besser. Der im Herbst anstehende Regierungswechsel in Deutschland und zwei negative EU-Verfassungsreferenden haben die Erweiterungspläne der EU bis auf weiteres einmal auf Sparflamme gesetzt. Seit Anfang Mai stieg der ISE National 100 Index der Börse in Istanbul trotzdem um rund 17 Prozent.

Fondsuniversum wächst rasant

Auch werden laufend neu Aktienfonds mit Länderschwerpunkt Türkei auf den Markt gebracht. Waren vor sechs Monaten noch drei Fonds erhältlich (ESPA Stock Istanbul, EMIF Turkey und Türkei 75 Plus) sind es mittlerweile schon sechs. Gestern z.B. startete der DWS Türkei, welcher zuerst aber nur in Deutschland zum Vertrieb zugelassen sein wird. Fondsmanagerin Sylwia Szczepek ist von der Konvergenzstory überzeugt: „Der Reformprozess wird weitergehen, daran ändern auch zwei negative EU-Referenden nichts“. Viel wichtiger seit die Tatsache, dass die fundamentalen Daten nach wie vor intakt sind: „Ein starkes Wirtschaftswachstum, steigende Produktivität, fallende Inflation und Zinsen, steigende Direktinvestitionen - all das spricht für ein Investment in die Türkei, ganz unabhängig vom potentiellen EU Beitritt. Dazu kommt auch sehr günstige demographische Entwicklung des Landes: 60 Prozent der Bevölkerung sind zwischen 15 und 64 Jahren“, unterstreicht Szczepek. Außerdem sieht die den Markt mit einem KGV 2005 von 11 und einem durchschnittlichem Gewinnwachstum pro Aktie von 15 Prozent günstig. Benchmark ist der marktbreite ISE  National 100 Index.

Bereits vor zwei Monaten aufgelegt wurde der Fortis L Equity Turkey, der mittlerweile ein Volumen von 14 Millionen Euro erreichen konnte. Gemanagt wird er von Eli Coen, der den Schwerpunkt auf Unternehmen setzt, die von makroökonomische Entwicklungen sowie strukturelle Veränderungen - die aufgrund der Annäherung der Türkei an die EU zu erwarten sind – profitieren. Der britische und türkische Staatsbürger setzt deswegen derzeit zu 44 Prozent auf Finanzwerte. Als Anlageziel hat sich der Koen eine jährliche Outperformance von 300 Basispunkten gegenüber dem MSCI Turkey Index gesetzt. Seit Auflage Ende April 2005 erzielte der Fonds ein Plus von 12,5 Prozent, und liegt damit auf Platz zwei aller Produkte hinter dem Türkei 75 Plus Fonds bzw. 1,9 Prozent vor dem MSCI Turkey.

Außerdem bietet Charlemagne Capital seit Mitte Dezember 2004 den mittlerweile 28 Millionen großen Magna Turkey Fonds an (siehe Interview „Türkei: Euphorie ist verflogen“ vom 15.3.2005). Manager Stefan Herz zeigt sich vom anstehenden Kanzlerwechsel in Deutschland nur wenig beeindruckt: „Auch eine neue Bundesregierung unter Angela Merkel kann die Aufnahme von EU-Beitrittsgesprächen nicht mehr rückgängig machen“, so Herz vor kurzem in einem Conference Call. Seit Auflage am 16.12.2004 erzielte der Fonds 18,3 Prozent und liegt damit 1,4 Prozent hinter seiner Benchmark MSCI Turkey.

Gelassen sieht die Situation auch Manfred Zourek, Manager des derzeit 25 Millionen Euro großen ESPA Stock Istanbul: „Unsicherheit gehört bei einem Investment in türkische Aktien einfach dazu“. Für ihn ist der Weg aber viel wichtiger als das Ziel: „Die Reformen in der Türkei gehen weiter. Und das zählt mehr als die Frage, wann die Beitrittsverhandlungen mit der EU beginnen“, so Zourek, der gleichzeitig auch den ESPA Stock Vienna erfolgreich verwaltet. Kurzfristige Prognosen für den Markt will er derzeit jedoch keine treffen: „Auf Sicht der nächsten 5-10 Jahre wird der Markt aber eine Rendite abwerfen, die auch dem erhöhten Risiko entspricht“, gibt er sich überzeugt. Im Fonds ist er aktuell leicht defensiv ausgerichtet: „Energiewerte und Versorger habe ich im Vergleich zum Index über-, Finanzwerte dagegen untergewichtet“, schildert er.

Noch optimistischer ist derzeit Baris Büyükdemir, Manager des bereits 1998 aufgelegten und mit 30 Millionen Euro größten Fonds, Türkei 75 Plus. „Das Nein EU-Verfassung wird den EU-Beitritt der Türkei nicht stoppen, sondern höchstens bremsen“, meint der Türke. Wichtiger sei für ihn, dass der 3. Oktober als Start der Beitrittsgespräche nicht in Frage gestellt wird. „Außerdem hat der türkische Aktienmarkt die aktuellen Entwicklungen bereits im März und April durch Kursverluste antizipiert“, analysiert der Experte, der den Fonds gemeinsam mit Mike Bayer von Frankfurt aus verwaltet. „Die Kursanstiege im Mai und Juni sind darauf zurückzuführen, dass die Börse auf das Ende der Ungewissheit mit Erleichterung reagiert hat“, erklärt der Experte. Bis zum Start der Gespräche im Herbst ist Büyükdemir skeptisch: „Viele ausländische Investoren warten bis dorthin ab“. Danach rechnet er aber mit einer Fortsetzung der Hausse am Bosporus. „Denn nach wie vor stellt sich die fundamentale Lage der Türkei als recht aussichtsreich dar“, so Büyükdemir, der theoretisch auch bis zu 25 Prozent des Nettovermögens in türkische Anleihen investieren darf. Die schlechte YTD-Performance - der Fonds erzielte 4,2 Prozent, der ISE 100 Index dagegen 12,4 Prozent - erklärt er mit seinem starken Untergewicht in Banken. 

Welche Fonds liegen langfristig vorn?

So ungewiss die nahe Zukunft für türkische Aktien auch sein mag, so deutlich fällt das Ergebnis einer Analyse der Assetklasse aus: Seit Auflage des ESPA Stock Istanbul im August 2001 liegt dieser als einziger Fonds vor dem Vergleichsindex ISE National 100. Und auch auf Sicht der letzten drei Jahre bzw. seit Jahresbeginn hat Zourek die Nase vorn (siehe Tabelle links).

Fazit

Türkei-Investoren brauchen einen langen Atem. Denn eines betonen alle Türkei-Fondsmanager: Anleger sollten sich des erhöhten kurzfristigen Risikos einer Aktienanlage am Bosporus bewusst sein. „Zwischen -20 und +60 Prozent ist in einem Jahr einfach alles drin“, schildert etwa Manfred Zourek. Langfristig gehen aber alle befragten Manager – trotz der jüngsten Entwicklungen - von einer Fortsetzung des Konvergenzprozesses aus. Dieses Vertrauen spiegelt auch die verstärkte Produktauflegung spezieller Länderfonds der einzelnen Fondsgesellschaften wieder…

Alle Daten per 9.6.2005 in Euro
Quelle:  

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