Wie lang sind die Beine der politischen Börsen?

Der deutsche Aktienmarkt hat seit der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen kräftig zugelegt. Auch wenn viele Auguren von den kurzen Beinen politischer Börsen ausgehen, könnte ein Wahlsieg von CDU/CSU und FDP bei der Bundestagswahl im Herbst einen weiteren Schub bei den Kursen auslösen, berichtet Ali Masarwah. Funds | 12.07.2005 09:43 Uhr
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Geht es nach der deutschen Fondsindustrie dann hat die alte Börsenweisheit, wonach politische Börsen kurze Beine haben, dieses Mal keine Gültigkeit. Die Geldverwalter sind äußerst optimistisch, dass dem im internationalen Vergleich schon notorisch trägen Dax ein nachhaltiger Aufschwung bevorsteht, wenn die CDU/CSU die anstehende Bundestagswahl gewinnt. Und daran besteht in Frankfurt keinerlei Zweifel: Unisono gehen die befragten Fondsgesellschaften vom Sieg einer konservativ-liberalen Koalition aus. Dass der Bundespräsident Einspruch gegen die Modalitäten der Neuwahl  erheben könnte oder das Bundesverfassungsgericht Neuwahlen infolge des fingierten Misstrauensvotums von Bundeskanzler Gerhard Schröder verhindert, scheint nicht nur im politischen Berlin, sondern auch in der Geldstadt Frankfurt kaum jemand zu erwarten. „Wir gehen davon aus, dass Bundespräsident Horst Köhler die Rechtmäßigkeit der Vertrauensfrage nicht in Frage stellt und auch das Bundesverfassungsgericht die Verfassungskonformität bestätigt“, heißt es in einer Einschätzung der Cominvest, die stellvertretend für die Branche steht.

Politische Börsen in Deutschland haben lange Beine

Doch wie realistisch sind die optimistischen Szenarien der Long-Only-Branche? Sind die Beine der politischen Börsen wirklich so kurz, wie es die wenigen Pessimisten unken? Ein Blick auf die Historie zeigt, dass das Gegenteil der Fall sein wird: Denn geht es um einen Richtungsentscheid, dann haben politische Börsen in Deutschland sogar ziemlich lange Beine. So verzeichnete die deutsche Börse ab 1982, als Helmut Kohl mit einer zunächst betont marktwirtschaftlichen Politik den Sozialdemokraten Helmut Schmidt ablöste, einen nachhaltigen Höhenflug. Dass konservative Regierungen für den Aktienmarkt besser waren als sozialdemokratische, zeigte auch die Zeit zwischen 1949 und 1959: Nach einer Rückberechnung des Berliner Professors Richard Stehle verzeichnete der deutsche Standardindex in den zehn Jahren satte 33 Prozent plus im Jahr, und damit wesentlich mehr als die Weltaktienmärkte. Kanzler war damals Konrad Adenauer, doch sorgte vor allem Ludwig Erhard mit der Sozialen Markt­wirtschaft für das Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit. Von 1959 bis 1969, in einer Zeit, in der auch eine große Koalition aus CDU/­CSU und SPD an der Macht war, verzeichnet der von Stehle zurückberechnete Dax dagegen nur noch ein Plus von 6,93 Prozent per annum. Auch wenn das Platzen der Internetblase natürlich nicht der seit 1998 amtierenden Regierung Schröder/Fischer angekreidet werden kann, bleibt unter dem Strich die Feststellung, dass der Dax weit hinter den Weltbörsen zurückblieb.

Experten raten zum Kauf deutscher Aktien

Zurück ins Jahr 2005: Kommt es bei der Bundestagswahl zum allgemein erwarteten Sieg der Konservativen, dann treffen zwei für den deutschen Aktienmarkt sehr günstige Voraussetzungen  aufeinander: einmal die nach wie vor günstige Bewertung deutscher Dividendentitel, zum anderen die Gestaltungsmacht der neuen Regierung auf Grund der Übermacht in beiden Parlamentskammern. „Die Mehrheit einer bürgerlichen Partei oder Koalition in beiden Kammern war in der Vergangenheit gut für die Aktienmärkte“, sagt Stephan Thomas, Fondsmanager des FT Frankfurt-Effekten-Fonds bei Frankfurt-Trust. Dass die deutschen Aktienmärkte nachhaltig profitieren werden, glaubt auch Klaus Martini, Global Chief Investment Officer für Privatkunden der Deutschen Bank. „Wir empfehlen unseren Kunden“, so Martini auf einem Pressegespräch in Frankfurt Ende Juni, „den Anteil deutscher Aktien in ihren Portfolios zu erhöhen.“

DAX: Konservative Regierung bringt 1500 Punkte

Die fundamentale Gründe für den Optimismus der Portfolio-Lenker: Ein Wahlsieg der CDU/CSU würde den Weg für umfassende Reformen frei machen. Hierzu zählen ein neues Steuersystem, ein Abbau der Sozialkosten, die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und Steuersenkungen. Dr. Hendrik Leber von der Acatis Anlageberatung für Investmentfonds GmbH fordert gar einen „Rückzug des Staates aus vielen heute öffentlich wahrgenommenen Aufgaben“. Kurzum: Alles, was  Wachstum und Beschäftigung bringt, ist den Fondsmanagern nur recht. Ob solche radikalen Reformschritte auch billig sind oder im korporatistisch organisierten Deutschland überhaupt machbar, steht zwar auf einem anderen Blatt. Klar ist aber in jedem Fall: Eine Bestätigung der rot-grünen-Bundesregierung im Amt gilt in der Branche als Katastrophenszenario. Dieser eher unwahrscheinliche Ausgang der Bundestagswahl würde nach allgemeiner Auffassung den Dax regelrecht in den Keller treiben. Dr. Leber von Acatis etwa sieht den Standardwerteindex bei einem Sieg von Rot-Grün bei 4.000 Punkten. Ein Sieg der Konservativen würde laut dem geschäftsführenden Gesellschafter von Acatis den Dax bis Jahresende auf 5.500 Punkte katapultieren.

Besonders Versorger würden profitieren

Die größten Profiteure der Wahl-Hausse wären den Fondsmanagern zufolge die
in Deutschland produzierenden Unternehmen sowie die Versorger, die vom verzögerten Ausstieg Deutschlands aus der Atomenergie, den CDU-Kanzlerkandidatin Angela Merkel angekündigt hat, profitieren würden. Angetrieben würde der Kurssprung nicht zuletzt durch ausländische Investoren, die sich bislang eher weniger als mehr in deutschen Aktien engagieren.

Zeitfenster ist gering

Allerdings: Eine konservative Regierung in Reformlaune wird einen Wettlauf mit der Zeit führen müssen: Denn sie hätte unter Umständen nicht einmal zwei Jahre Zeit, ihre Vorstellungen gegen SPD und Grüne im Bundesrat durchzusetzen. Denn bereits im kommenden Frühjahr stehen Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt an, wenig später wird in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern abgestimmt. Sollte die CDU/CSU wegen allzu schmerzhafter Einschnitte vom Wähler massiv auf Länderebene abgestraft werden, droht die altbekannte Pattsituation zwischen Bundesrat und Bundestag aufs neue.


Ali Masarwah ist Chefredakteur von portfolio international, e-mail: [email protected]



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