Osteuropa: Korrektur zum Einstieg nutzen

In den ersten Märztagen verzeichneten Aktien aus Osteuropa schwere Kursverluste. Wie sollen sich Anleger nun verhalten? Und welche Länder und Sektorenversprechen das meiste Potential? e-fundresearch fragte Angelika Millendorfer (Raiffeisen Osteuropa Aktien) und Gegham Ananyan (NESTOR Osteuropa). Funds | 23.03.2006 07:18 Uhr
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e-fundresearch: Wie lautet der allgemeine Ausblick für osteuropäische Aktien im laufenden Jahr? Angelika Millendorfer: Wir sind osteuropäischen Aktien gegenüber weiterhin positiv eingestellt. Die wirtschaftlichen Aussichten für die Region sind nach wie vor attraktiv. Im Gegensatz zu Westeuropa kann man im Jahr 2006 im Osten mit einem Wirtschaftswachstum von 4-6 Prozent rechnen, in Ländern wie Kasachstan sogar darüber. Die Bewertungen der Unternehmen auf den Märkten Zentral- und Osteuropas sind weiterhin überwiegend günstig. Die letzten Quartalszahlen haben bewiesen, dass die Märkte weiterhin stark und gesund wachsen. Die Nachfrage nach Rohstoffen, die einen wichtigen Gradmesser für die Wirtschaft dieser Region darstellt, wird sich unserer Meinung nach nicht abschwächen.

Gegham Ananyan: Kurzfristig sehen wir zwar eine höhere Volatilität, die jedoch durch die volatilen Ölpreise und gewisse Unsicherheiten mit der Öllieferung durch Iran und Nigeria verbunden sind. Insbesondere die russischen Aktien zeichnen sich durch sehr gute makroökonomische Daten aus. Die Mittelzuflüsse und die damit verbundene Liquidität in Russland spricht ebenfalls für ein erfolgreiches Jahr 2006. Wir gehen jedoch insbesondere mittel- und langfristig weiter von starkem Wachstum und steigenden Aktienkursen in Osteuropa mit Focus auf Russland aus. Polen wird derzeit durch die Minderheitsregierung wirtschaftlich etwas bedrängt. In Tschechien und Ungarn warten wir bis nach den Wahlen im Frühjahr ab. Dann sollten sich auch diese Märkte wieder auf den Wachstumskurs konzentrieren können. Unabhängig davon müssen in allen Ländern weitere Reformen angestrengt werden, was langfristig der ganzen Wirtschaft zugute kommt.

März: Gesunde Korrektur als Einstiegschance

e-fundresearch: Auf welche Gründe ist die im März begonnen starke Korrektur in Osteuropa zurückzuführen und wie beurteilen Sie die kurzfristigen Aussichten?

Angelika Millendorfer: Aus unserer Sicht sind die Auslöser für die Korrektur überwiegend externer Natur. In den ersten Monaten des heurigen Jahres waren außergewöhnlich hohe Kapitalzuflüsse in die Märkte zu beobachten. Aufkommende globale Zinsängste veranlassten die Investoren nun zu Gewinnmitnahmen. Des weiteren trugen auch die Währungen Zentral- und Osteuropas zu dieser Korrektur bei, die gegenüber dem Euro an Wert einbüßten Wir sind der Meinung, dass diese Korrektur für die Märkte gesund ist und hilft, Überhitzungstendenzen zu vermeiden. Wir denken weiters, dass derartige Korrekturen eine gute Möglichkeit darstellen in diese Märkte einzusteigen oder vorhandene Positionen aufzustocken.

Gegham Ananyan: Wie schon gesagt, sind insbesondere Unsicherheiten im politischen Geschehen mit Iran und Nigeria störend gewesen, da sie den Ölpreis bedrängten, der daraufhin schwächer tendierte. Das ist nach wie vor ein anfälliges Feld, da daher auch die gute Liquidität Russlands rührt. Wir erwarten daher kurzfristig bis zum späten Frühjahr oder frühen Sommer volatilere Märkte. Dann sollte sich der starke Aufwärtstrend der Vergangenheit fortsetzen. Davon sind wir überzeugt. Russland bleibt dabei klar unser Favorit. Übrigens hatten wir auch die Korrektur im Oktober 2005 erwartet. Wir sehen diese Marktphasen eher positiv, da Übertreibungen abgebaut werden und somit wieder günstigere Einstiegskurse vorliegen. Insgesamt begünstigen Korrekturphasen den langfristigen Aufwärtstrend.

Russland und Kasachstan im Fokus der Fondsmanager

e-fundresearch: In welchen Sektoren oder Ländern finden Sie zur Zeit verstärkt Chancen? Welche Sektoren, Länder sollten Anleger lieber meiden?

Angelika Millendorfer: Wir haben die Phase der Kursschwächen zu starken Zukäufen in Russland und der Türkei genützt. Wir sind der Meinung, dass russische Unternehmen nach wie vor vom stark vom anhaltenden Rohstoffboom und von den stark steigenden Realeinkommen profitieren werden. Die Türkei überzeugt Investoren durch rasch voranschreitende wirtschaftliche Reformen. Von den günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen profitieren türkische Unternehmen, die sich mit einem erwarteten durchschnittlichen Gewinnwachstum für 2006 von 25 Prozent als sehr attraktive Anlagemöglichkeit präsentieren. Wir mögen auch viele osteuropäische Banken. Etwas vorsichtiger sind wir im Telekomsektor.

Gegham Ananyan: Auch hierzu kann ich keine anderen Aussagen treffen. Besonders liegt uns Russland aufgrund der breiter werdenden Marktchancen am Herzen. Allerdings hat NESTOR den besonderen Vorteil durch das noch nicht so stark aufgeblähte Fondsvolumen auch kleinere Märkte wie Kasachstan spielen zu können. Hier finden wir Perlen, die zum großen Teil noch unentdeckt sind. Außerdem haben wir unsere Gewichtung von der Türkei weiter hochgefahren, da wir langfristig auch von starken Strukturen dort profitieren wollen.

Ölpreis weiter auf hohem Niveau

e-fundresearch: Der Ölpreis scheint als Bestimmungsgröße - gerade für Russland-Investments - bestimmend. Wie lautet Ihr Ausblick diesbezüglich?

Angelika Millendorfer: Der Ölpreis ist ein wichtiger Gradmesser für die Wirtschaft in Russland. Trotz eines relativ hohen Preises können wir keine Abschwächung der Nachfrage nach Öl erkennen und sind daher der Meinung, dass der Ölpreis auch weiterhin über dem langfristigen Durchschnitt bleiben wird.

Gegham Ananyan: Der Ölpreis bleibt sicher ein ganz wichtiger Bestimmungsgrund für Osteuropa und hier besonders Russland, welches extrem von den Rohstoffpreisen und besonders dem Ölpreis der letzten Jahre profitiert hat. Wir sehen den Ölpreis weiter auf hohem Niveau. Kurzfristig zwar schwankender, doch langfristig sehen wir ihn in der Range von 60 – 70 USD / Barrel – eher glauben wir sogar noch an einen Ausbruch nach unten, als das wir von mittel- oder langfristig sinkenden Ölpreisen ausgehen. Der Markt verlangt immer mehr nach diesem Rohstoff und so muss allein der Nachfrage wegen, der Preis weiter steigen. Es bleibt der lang beschworene Marktmechanismus – Angebot und Nachfrage – auch hier intakt.

Performanceausblick: Abgeschächte Outperformance zwischen 10-20 Prozent p.a.

e-fundresearch: Mit welcher Performance kann ein Anleger in den nächsten 5 Jahren in dieser Assetklasse rechnen? In den letzten fünf Jahren legte der MSCI Emerging Markets Eastern Europe in Euro um 31 Prozent pro Jahr zu. Geht das so weiter?

Angelika Millendorfer: Die starke Performance der letzten Jahre kann natürlich nicht einfach in die Zukunft extrapoliert werden. Aufgrund eines soliden makroökonomischen Umfelds, sehr guter Managementqualität der Unternehmen und eines soliden Gewinnwachstums sind wir dieser Assetklasse gegenüber nach wie vor optimistisch eingestellt und rechnen mit weiterer Outperformance gegenüber etablierten Märkten.

Gegham Ananyan: Eine gute Frage, die ich auch gern beantwortet hätte. Allerdings erwarten wir mittelfristig weiter steigende Kurse für ganz Osteuropa. Der Markt entwickelt sich und somit zieht Wachstum neues Wachstum nach sich. Allerdings erwarten wir keine jährliche Entwicklung von 31 %. Wir würden die Entwicklung aber eher im zweistelligen Bereich von 10 – 20 % ansiedeln. Jeder Anleger wird unserer Einschätzung nach weiter auf positive Jahre in Osteuropa hoffen dürfen.

Österreich: Brückenkopf-Story weiter intakt

e-fundresearch: Österreich gilt seit langem als Brückenkopf nach Osteuropa und findet sich deshalb in vielen Osteuropa-Fonds als Off-Benchmark-Wette wider. Wie lange wird das noch anhalten?

Angelika Millendorfer: Wir analysieren die Arbeit der einzelnen Unternehmen und stellen dabei fest, dass österreichische Unternehmen sehr gute Arbeit in Osteuropa leisten. Wir sehen weiterhin Potenzial für österreichische Unternehmen in Osteuropa zu expandieren und die Konvergenz Story zu nützen. Österreichische Unternehmen sind große Player auf den Zentral- und Osteuropäischen Märkten, bauen ihre Präsenz weiter aus und dringen dabei immer weiter in diese Märkte vor. Als Beispiele seien genannt das Vordringen der OMV in den türkischen Markt durch die kürzlich erfolgte Akquisition der türkischen Petrol Ofisi oder das Vordringen der Erste Bank nach Rumänien durch Akquisition der BCR.

Gegham Ananyan: NESTOR ist auch letztes Jahr in Österreich mit eingestiegen. Die Wiener Städtische war eines unserer ersten Investments dort. Sehen sie dies als „sicherer“ Hafen Osteuropas. Die Firmen in Österreich konnten zeitnah ihre Geschäfte nach Osteuropa ausbauen und somit auch schnell die Gewinne mitnehmen. Hier sehen wir natürlich weiteres Wachstum. Dennoch wird auch der Druck auf die Unternehmen hier wachsen, da auch sonst Westeuropa verstärkt versucht in Osteuropa neue Märkte zu erschließen. Die Expansion muss weiter gehen, dann sollte auch Österreich weiter mit Osteuropa performen. Wir können uns zwar vorstellen, dass auch hier das Tempo etwas nachlässt, doch wäre das sicher nur im Sinne der Anleger.

e-fundresearch: Vielen Dank für das Gespräch! 



Alle Daten per 20.3.2006 in Euro
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