Fondsmarkt Polen: zwei Jahre nach EU-Beitritt

Am 1. Mai 2004 trat die Republik Polen der Europäischen Union bei. Gastautor Michael C. Mellinghoff – Mitglied der Geschäftsführung der zur Commerzbank-Gruppe gehörenden Publikumsfondsgesellschaft Skarbiec TFI S.A. – gibt einen aktuellen Einblick in den sehr dynamischen Fondsmarkt des größten EU-Beitrittslandes. Funds | 18.05.2006 07:30 Uhr
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Fondsanbieter profitieren von Aktienhausse und Konvergenzeffekten

Die in Polen ansässigen Publikumsfondsgesellschaften eilen derzeit von Rekord zu Rekord. Zwei Jahre nach EU-Beitritt hat sich das Marktvolumen mehr als verdoppelt - auf aktuell 77,3 Mrd Zloty. Die stabile Wirtschaftsentwicklung (2006e: +4,3% GDP), die sehr gute Entwicklung des polnischen Aktienmarktes (+ 35,6% in 2005, + 20,2% YTD) und das gleichzeitig niedrige Zinsniveau bilden ein günstiges Wachstumsumfeld. Insbesondere der derzeit bei etwa 2,5% liegende - im historischen Vergleich sehr niedrige - Realzins der Bankkonten, erleichtert Banken und Vermögensberatern den Verkauf von Investmentprodukten.

Gemischte Produkte als Volumensbringer

Insbesondere gemischte Fondsprodukte sind sehr erfolgreich, bieten sie doch – erst recht in der Rückbetrachtung – eine im Vergleich zu Bankanlagen sehr attraktive Wertentwicklung.

Obwohl viele Kunden ein ausgeprägtes Sicherheitsbedürfnis haben, fliessen verstärkt Mittel in Aktien- und gemischte Produkte, alleine in den ersten vier Monaten 2006 etwa 13 Mrd Zloty (Vergleichszeitraum 2005: ca. 200 Mio Zloty !). Zusammen mit den Pensionsfonds (+5,4 Mrd Zloty Zuflüsse im laufenden Jahr), die etwa ein Drittel ihrer 98 Mrd Zloty in polnische Aktien investieren, nehmen die polnischen Fondsgesellschaften damit eine bedeutende Rolle für den polnischen Aktienmarkt ein.

Zloty-Anlagen dominieren

Der polnische Anleger ist lokal orientiert. Etwa 95% der polnischen Assets denominieren in der Heimatwährung. Daran haben auch die seit kurzem mit EU-Pass aktiven ausländischen Fondsgesellschaften (u.a.. Merrill Lynch, Nordea, Templeton) bisher nichts ändern können.

Die starke Aufwertung des polnischen Zloty (+24% seit EU-Beitritt) macht Fremdwährungsanlagen wenig attraktiv, zumal wenn der Kunde dafür hohe Wechselkursgebühren in Kauf nehmen muss. Nur eine Trendumkehr beim Zloty bzw. die Aussicht auf baldige Einführung des Euro dürfte dieses Anlegerverhalten nachhaltig ändern.

Erfahrungen aus anderen EU-Ländern zeigen, dass der Home Bias bei Assetklasse und Währung auch viele Jahre nach der EU-Beitritt bzw. Euro-Einführung fortbesteht, z.B. haben in Deutschland ausländische Fondsgesellschaften erst im vergangenen Jahr nennenswerte Marktanteile erreichen können, ein im Vergleich zu Polen sehr weit entwickelter Markt in Europa. Ausschlaggebend waren hier die gestiegene Akzeptanz der Direktbanken, die Jahre brauchten, um Open Architecture salonfähig zu machen.

Open Architecture in Polen  noch nicht weit verbreitet

Ähnliche Entwicklungen sind in Polen derzeit nicht zu beobachten. Open Architecture gibt es bisher nur vereinzelt. Die sehr profitablen Filialbanken in Polen, die Drittfonds anbieten, nehmen eine strenge Selektion der Anbieter vor, meist beschränkt auf die wesentlichen Player im Markt mit langem track record und guter Bekanntheit, z.B. Skarbiec (Commerzbank-Gruppe) oder Arka (AIB-Gruppe).

Den größten Marktanteil halten jene Fondsgesellschaften, deren Mutterbanken keine Drittfonds vertreiben, beispielsweise Pioneer (Unicredito-Gruppe) oder ING.

Ausländische Asset Manager positionieren sich

Wie das Bankensystem, ist auch die polnische Fondsindustrie fest in ausländischer Hand (ca. 75%), meistens über Beteiligungen an polnischen Fondsgesellschaften. Seit Beitritt zur EU nutzen nun vor allem unabhängige ausländische Asset Manager den EU-Pass, um Fonds in Polen zum öffentlichen Vertrieb zuzulassen.

Derzeit sind 282 Fonds von acht ausländischen Gesellschaften registriert, zuletzt eine weitere Tranche des World Investment Opportunities Fund von SFM International aus Luxemburg. Weitere Gesellschaften stehen in den Startlöchern oder monitoren den Markt.

Deutsche Fondsgesellschaften sehr gut vertreten

Deutsche Finanzkonzerne sind seit Mitte der 90er Jahre in Polen über lokale Fondsgesellschaften präsent (Commerzbank, Deutsche Bank, Union Investment). In 2005 hat die Allianz eine polnische Fondsgesellschaft gegründet. Der polnischen Tagespresse zufolge ist Dekabank ebenfalls am polnischen Markt interessiert.

Quo Vadis?

Die Marktdynamik der letzten zwei bis drei Jahre hatte in dieser Form kein Marktteilnehmer vorausgesehen, was eine fundierte Prognose zusätzlich erschwert. Sofern sich an den wesentlichen ökonomischen Rahmenbedingungen nichts ändert und die Politik keine unliebsamen Überraschungen bietet, ist das Länderrisiko Polen überschaubar.

Nach Schätzungen des polnischen Fondsverbandes werden die AuM in Polen bereits im Oktober 2006 die 100 Mrd Zloty-Marke passieren (zum Vergleich: zum Zeitpunkt des EU- Beitritts waren es 35,3 Mrd Zloty). Eine Prognose, die nach den Erfahrungen der letzten 2 Jahre realistisch erscheint.

Der Gesamtbestand an Depositen beläuft sich auf gut 350 Mrd Zloty, Tendenz sowohl bei Unternehmen als auch bei privaten Haushalten trotz Transfers stabil. Auch die Kennzahlen AuM pro Kopf (477 Euro) und AuM in % des GDP (8%) signalisieren ein erhebliches Aufholpotential des polnischen Fondsmarktes.

Polnischer Fondsmarkt: Marktanteile und Bedeutung der Asset Klassen (Quelle: Skarbiec).























 

 





Über den Autor:

Michael C. Mellinghoff ist Mitglied der Geschäftsführung der Publikumsfondsgesellschaft Skarbiec TFI S.A., einem Unternehmend der Commerzbank Gruppe.


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