Lehren aus der Krise

Martin Hüfner, Chefökonom des österreichischen Discount-Brokers direktanlage.at, ortet die Gründe und Gefahren der aktuellen Krise und rät Anleger, sich nicht allein auf die Notenbanken zu verlassen. Insbesondere vier Lehren sollte man daraus für die Zukunft ziehen... Funds | 03.09.2007 06:30 Uhr
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Die Märkte haben sich nach den Turbulenzen der letzten Wochen zuletzt etwas beruhigt. Anleger hoffen auf eine Zinssenkung der Federal Reserve in ihrer nächsten Sitzung am 18. September. Nach wie vor gibt es jedoch erhebliche Unsicherheiten. Nachrichten über Verluste in einzelnen Häusern werden veröffentlicht. In den USA kommen weitere Hypothekenbanken in Schwierigkeiten. Die Finanzierung mancher Institute und Zweckgesellschaften steht noch auf wackeligen Füssen. Wir müssen uns also auf weiter volatile Märkte einstellen. Die Anleger sind nervös und unsicher. Wir haben nur eine Atempause.

Ich möchte diese Pause zu ein paar grundsätzlichen Bemerkungen nutzen. Wie stellen sich die aktuellen Ereignisse im Vergleich zu den Finanzkrisen der letzten Jahre dar? Gibt es Gemeinsamkeiten, gibt es Lehren? Ich möchte damit Fragen beantworten, die mir in den letzten Tagen immer wieder zu diesem Komplex gestellt wurden.

Eine Krise wie viele

Das was wir derzeit erleben, wird zweifellos in die Geschichte der größeren Finanzkrisen der letzten 60 Jahre eingehen. Es ist in seinem Ausmaß – so wie es sich im Augenblick darstellt – vergleichbar etwa mit einer Mexiko-Krise 1982, mit dem Aktieneinbruch 1987, mit der LTCM-, Russland- und Asienkrise 1997/98 oder mit dem „Crash auf Raten“ von 2000 bis 2003. Freilich wiederholt sich die Geschichte nicht. Jede Krise ist anders. Aber ein paar Gemeinsamkeiten gibt es doch.

Erstens: All diese Krisen sind entstanden aus Übertreibungen und Moden der Märkte. Die Marktteilnehmer haben die Regeln des „prudent market behavior“ nicht mehr beachtet. Diesmal haben die Investoren zu große Risiken in die Bücher genommen.

Kreditnehmer haben sich zu hoch verschuldet. Die Preise auf den Märkten spiegelten nicht mehr die Risiken wider. Die Produkte wurden immer komplizierter und unverständlicher. Man verließ sich zu stark auf mathematische Modelle, ohne die Risiken noch wirklich abschätzen zu können.

Alle wussten das. So etwas kann eine Weile gut gehen und dabei immer neue Marktteilnehmer anziehen. Aber eines Tages ist es vorbei. Die Lehre ist immer wieder: Es ist besser, sich von Moden zu emanzipieren, etwas früher auszusteigen und nicht auf den letzten Cent an Gewinn zu spekulieren.

Notenbank intervenierten erfolgreich

Zweitens: Eine positive Erfahrung der Krisen ist, dass bei allen Fehlern des Risikomanagements auf Mikroebene das Management von Krisen auf Makroebene, also der Ebene des Systems funktioniert. Diesmal haben die großen Zentralbanken der Welt wiederum schnell, effizient und international koordiniert eingegriffen. Zuerst stellten sie einfach Liquidität zur Verfügung. Danach hat die Federal Reserve auch die Zinsen für Diskontkredite gesenkt, die Anforderungen an die zu hinterlegenden Sicherheiten gelockert und (wie zuletzt auch die EZB) die Laufzeit verlängert. Die Zentralbanken haben darüber hinaus deutlich gemacht, dass sie noch weitere „Pfeile im Köcher“ haben. Konkret heißt das, dass die Fed die Zinsen notfalls senkt bzw. die EZB die geplante Zinserhöhung verschiebt. Aber nur wirklich „notfalls“. Ich habe den Eindruck, dass sich die Märkte derzeit etwas zu sicher sind, dass dieser Fall eintritt. Es ist gut, dass die EZB hierzu in dieser Woche eine Warnung ausgesprochen hat.

Korrektur noch nicht zu Ende

Drittens: So sehr wir uns darüber freuen, dass das systemische Sicherheitsnetz der Notenbanken funktioniert, so sehr müssen wir betonen, dass damit die Fehlentwicklungen der Märkte noch nicht korrigiert sind. Das müssen die Marktteilnehmer selbst machen und braucht, wie wir aus der Vergangenheit wissen, seine Zeit. Das kann für einzelne mit Verlusten oder schmerzhaften Wertberichtigungen verbunden sein.

Die Notenbanken sehen es nicht als ihre Aufgabe an, individuelle Verluste abzufedern. Sie wollen nur systemische Risiken vermeiden. Insofern sollten sich Anleger nicht zu sehr auf etwaige „Bernake- oder Trichet-Puts“ verlassen. Sollten etwa die Aktienkurse auf längere Zeit langsam zurückgehen (womit ich nicht rechne, was aber 2000 bis 2003 passiert ist), dann würden die Notenbanken nicht eingreifen.

Zur notwendigen Korrektur der Fehlentwicklungen an den Märkten gehört diesmal auch, dass die Renditeerwartungen in den Unternehmen reduziert werden müssen. Wenn Private Equity- oder Hedgefonds Beteiligungen an Firmen in der Erwartung einer Rendite von 20% oder mehr erwerben, können sie Glück haben und dies in einem oder in zwei Jahren wirklich erzielen. Auf Dauer ist dies jedoch unrealistisch (und auch gesellschaftlich nicht akzeptabel). Ein bekannter und renommierter Banker schrieb mir (bezugnehmend auf meinen letzten Marktkommentar) dazu vor ein paar Tagen: „Unrealistische Ziele dieser exzessiven Unternehmensphilosophie haben ohne Zweifel zu den Exzessen der letzten Jahre beigetragen.“ Hier sind noch einige ins Gewicht fallende Korrekturen zu erwarten. Einem älteren Beobachter wie mir mag es erlaubt sein zu sagen, dass hier vermutlich eine ganze Generation junger Investmentbanker umdenken muss.

Die global players sind nicht die Schwachstelle

Viertens: Auch diesmal hat sich wieder gezeigt, dass die wirklichen Schwachstellen der internationalen Finanzmärkte nicht die großen globalen Player sind, über deren mangelnde Transparenz und Überwachbarkeit sich die Politiker immer wieder beschweren. Es sind vielmehr eher die kleineren, lokal begrenzteren Häuser, die auf den internationalen Märkten nicht erfahren genug sind und denen dort Fehler unterlaufen.

Natürlich hat die Krise damit begonnen, dass zwei große amerikanische Hedgefonds (von Bear Sterns) schließen mussten. Das war insgesamt aber für das System verkraftbar. Die Verluste mussten die Beteiligten selbst tragen. Richtig schwierig wurde es erst, als in Deutschland die IKB und dann die SachsenLB auch mit dem Einsatz öffentlicher Gelder gerettet werden mussten. Die Financial Times in London schrieb dieser Tage: „Keine der großen deutschen Landesbanken gehört zu den Top 30 der größten Banken Europas, aber alle rangieren sie unter den Top 30 der Sponsoren von Conduits.“ Conduits sind die Zweckgesellschaften, die in dieser Krise eine so zentrale Rolle spielen, weil ihre Finanzierung klemmt.

Fazit

Das sollte Konsequenzen für die Diskussion der Überwachung der internationalen Finanzmärkte haben. Wichtig ist nicht so sehr eine vermehrte Aufsicht über die großen Hedgefonds wie sie derzeit in der Gruppe der 8 großen Industrieländer gerade auch von deutschen Politikern immer wieder gefordert wird (obwohl hier mehr Transparenz kein Fehler wäre). Die eigentlichen Problemstellen sind die nationalen Aufsichten über Häuser, die den Versuchungen der globalen Märkte unterliegen, aber nicht über das notwendige Know how verfügen.


Über den Autor:
Dr. Martin Hüfner war viele Jahre Chefvolkswirt bei der HVB und Senior Economist bei der Deutschen Bank. Heute berät er Finanzdienstleister und schreibt für verschiedene Publikationen. Hüfner ist seit 2006 Chief Economist des führenden österreichischen Discount-Brokers www.direktanlage.at.


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