´Ich bin wieder voll im Geschäft´

Raphael Kassin ist wieder zurück. Nach seinem spektakulärem Wechsel von ABN AMRO zur Credit Suisse, ist sein neuer Fonds seit 31.8. neu positioniert. Im Gespräch mit e-fundresearch.com erläutert er, warum er in Ghana investiert, weshalb es wichtig sei den Index zu ignorieren und seine Angst vor dem dritten Weltkrieg. Funds | 22.10.2007 06:38 Uhr
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Es war wie bei der berühmten Symphonie mit dem Paukenschlag. Mitten in der wunderschönen Melodie kommt unerwartet der Paukenschlag, um das Publikum aus ihrem Dämmerschlaf zu reißen. Genau das geschah auch Anfang des Jahres. Nicht in einer Konzerthalle, sondern in der Fondsbranche.

Raphael Kassin, Fondsmanager des ABN AMRO Global Emerging Markets Bond, kündigte am 17. April an, ABN AMRO in Richtung Credit Suisse zu verlassen. Dieser Schritt riss zahlreiche Anleger aus einem wahren Märchenschlaf. Kassin konnte seit 2001 nicht nur das Volumen des Fonds von 400 Mio. auf sechs Mrd. Dollar vergrößern, sondern erwirtschaftete in diesem Zeitraum auch eine Rendite von durchschnittlich 13,3 p.a.

Der Paukenschlag klingt nach

Dem Paukenschlag folgten handfeste Turbulenzen. Die Abflüsse aus dem Fonds waren die größten, die es je aus einem Emerging Markets Bond Fonds gab, wie Emerging Portfolio Fund Research, ein Analysehaus aus den USA errechnete. Binnen drei Tagen waren bereits 1,6 Mrd. Dollar aus dem Fonds geflossen. Auch in den Märkten, in denen Kassin stark investiert war, war sein Weggang zu spüren. So fielen die Staatsanleihen in Argentinien um 6,5 Prozent.

Seit 11. Juli 2007 ist Raphael Kassin nun bei der Credit Suisse und hat dort den Credit Suisse Bond Emerging Markets übernommen. Seit Ende August, ab dem Zeitpunkt war das Portfolio komplett umstrukturiert, liegt der Fonds mit drei Prozent im Plus und schlägt den Lipper-Durchschnitt aller globalen Schwellenländer-Anleihenfonds bereits um 170 Basispunkte. Anlässlich des vom geld magazin veranstalteten Institutional Investor’s Congress war der Starmanager in Wien. e-fundresearch.com hat ihn exklusiv interviewt.

Das System Kassin: Die Länder-Wette

e-fundresearch: Herr Kassin, Sie konzentrieren Ihr Portfolio immer stark in einzelnen – mitunter auch kleineren – Ländern. Als Sie ABN AMRO verlassen haben, war der Fonds etwa zu 30 Prozent in Argentinien investiert. Gehen Sie da nicht ein hohes Risiko ein?

Raphael Kassin: Es geht nicht nur darum, wie viel man in einem einzigen Land investiert. Es geht darum, wie man das Risiko managt. Ein Problem habe ich nur dann, wenn eines der Länder zahlungsunfähig wird.

Im Moment gibt es im Emerging Markets Universum aber kein einziges Land, das in die Pleite schlittert oder schlittern könnte. Und als Fondsmanager man ja 35 Prozent in ein Land investieren. Jene Manager, die dieses Risiko nicht eingehen, geben eine Chance auf - auf Kosten ihrer Kunden.

Sein Wechsel und die Folgen

e-fundresearch: Als Sie ABN AMRO verlassen haben, war eine der ersten Handlungen des neuen Fondsmanagers, den hohen Anteil einzelner Länder zu reduzieren…

Raphael Kassin: … und er hat damit viel Geld verloren. Kein guter Investor war jemals ein Benchmark-Tracker, weder Warren Buffett noch Peter Lynch. Wenn ich als Fondsmanager den Index kaufe, warum bräuchte man mich dann noch? Ich wäre unnütz. Die Menschen können selbst auf den Index setzen, dafür brauchen sie keine Fondsmanager.

e-fundresearch: Als Sie im April dieses Jahres ankündigten, ABN AMRO zu verlassen, sind argentinische Staatsanleihen um 6,5 Prozent gefallen…

Raphael Kassin: …dabei hat sich fundamental ja nichts geändert. Von heute auf morgen gab es damals null Veränderung. Der Grund, warum die Anleihen fielen, war, dass das Unternehmen (ABN AMRO Asset Management, Anm. der Redaktion) seinen Stil geändert hat. Sie haben sich dazu entschlossen, zu verkaufen. Das Problem war, dass der Fonds ein zu großes Gewicht in Argentinien hatte und der Wechsel des Managementstils zu groß war.

Die neue Leidenschaft Lokalwährungen?

e-fundresearch: Im Credit Suisse Fonds können Sie bis zu 40 Prozent in lokalen Währungen investieren. Als Sie noch bei ABN AMRO waren, meinten Sie in Interviews immer, das würde nur zu viele Risiken in sich bergen. Was hat sich an Ihrer Einstellung geändert?

Raphael Kassin: Ich glaube immer noch, dass die Risiken von lokalen Währungen sehr hoch sind. Die 40 Prozent-Marke ist eine mögliche zusätzliche Ertragsquelle, aber kein Muss. Lokalwährungen können sehr attraktiv sein, aber nur selektiv. Man findet nur wenige Währungen, die eine attraktive Risikoprämie bieten, aber genau das sind die Währungen, die wir kaufen wollen.

Ghana und das Nicht-Offensichtliche

e-fundresearch: Letzte Woche hat Ghana zum ersten Mal Staatsanleihen emittiert. Haben Sie Länder wie dieses auf Ihrem Radar?

Raphael Kassin: Ja, wir haben bereits in die ghanaischen Anleihen investiert. Das ist das Schöne an diesem Markt. Es gibt kontinuierlich neue Chancen. Wir kommen aus einer Epoche, in der die Ratings gering waren. Jetzt kommen diese Länder, die man davor noch nie auf dem Radar hatte, neben Ghana in nächster Zeit auch Sri Lanka. Emerging Markets Anleihen sind eine Assetklasse, in der es immer neue Möglichkeiten gibt. Das ist der Grund, warum ich den Index ignoriere. Wir konzentrieren uns auf das Set an neuen Möglichkeiten. Wenn ich nach Märkten suche, suche ich nicht nach dem Offensichtlichen.

e-fundresearch: Was sind die Haupttreiber, die für Sie Anleihen aus Ländern wie Ghana interessant machen?

Raphael Kassin: Die politische Entwicklung in diesen Staaten geht in Richtung Stabilität, aber gleichzeitig wächst die Wirtschaft stark. Im Falle Ghanas muss ich aber auch sagen, dass die Anleihen einfach sehr günstig waren. Genau das suchen wir. Wenn die Top-Down-Sicht gut ist und die Anleihe auch noch günstig ist.

e-fundresearch: Welche Rolle spielen für den Emerging Markets Boom die Rohstoffe?

Raphael Kassin: Freilich eine große. Aber sie alleine machen den Boom noch nicht aus. Es geht dabei auch um besseres Management. Politiker heutzutage sind geschickter. Und man darf nicht vergessen: Die Welt wächst. Als ich 21 war, gab es 2,5 Milliarden Menschen auf der Welt. Heute sind es sieben Milliarden. Ich bin sehr bullish. Ich habe größere Ängste vor einem dritten Weltkrieg als vor zu geringem Wachstum.

"Unternehmensanleihen sind riskant"

e-fundresearch: Es gibt in den Emerging Markets einen starken Trend von Staatsanleihen zu Unternehmensanleihen. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Raphael Kassin: Das ist ein verrückter Trend. Allerdings, wenn man sich den EMB Global Index ansieht, dann sieht man, dass er seit dem Start von 250 Mrd. auf 300 Mrd. Euro gewachsen ist. Der Markt, und damit die Auswahl für mich, wird also weiterhin größer. Darüber hinaus bergen Unternehmensanleihen viele zusätzliche Risikofaktoren, wie Unternehmensrisiken, Liquiditätsrisiken oder lokale Risiken. In Phasen einer Krise wie jetzt geht dann alles schief. Bei Staatsanleihen gibt es nur das Risiko, dass das Land Pleite geht. Daher bevorzuge ich auch weiterhin klar Staatsanleihen.

Die Folgen der Kreditkrise

e-fundresearch: Welche Folgen hat die Kreditkrise für die Assetklasse der Emerging Markets Anleihen und für Ihren Fonds?

Raphael Kassin: Keine. Es hat nur meine Ansicht bestätigt, dass der Weg, wie ich den Fonds manage, ein sehr guter ist. Ich möchte nicht anmaßend klingen, aber bislang habe ich es bei jeder Krise geschafft noch zusätzlichen Ertrag zu generieren.

e-fundresearch: Hat die Krise einzelne Länder attraktiver gemacht?

Raphael Kassin: Der EMBI Global Index fiel um vier Prozent. Wenn man sich beispielsweise Argentinien ansieht, dann sieht man, dass im Vorfeld einer Wahl (am 28. Oktober 2007 finden Präsidentschaftswahlen statt, Anm. der Redaktion) die Anleihenkurse besonders unter Druck geraten. Einige Dollar-Anleihen fielen gar um 35 Prozent. Das sind die Chancen, die wir nützen. Ich bin immer dankbar, wenn der Markt nach unten korrigiert. Es war ein glücklicher Zufall, dass ich inmitten dieser Korrektur gerade den neuen Fonds bei der Credit Suisse gestartet habe. Das Timing hätte nicht besser sein können.

Bearish eingestellt und doch investiert

e-fundresearch: Sie waren sehr pessimistisch gegenüber der Türkei und Brasilien. Im Zuge der Krise haben Sie auch in diese Länder investiert. Was hat sich an Ihren Erwartungen für diese Märkte geändert?

Raphael Kassin: Die Währungsspekulation war einfach zu aussichtsreich. Wir sind also die Wette eingegangen, warum auch nicht. Die Märkte waren einfach zu günstig. Ich bin aber weiterhin der Meinung, dass die Fundamentaldaten fragwürdig sind. Brasilien ist zwar längst industrialisiert, wird aber immer wieder von Korruptionsskandalen überschattet.

Auf der makroökonomischen Ebene liegt etwa das Wirtschaftswachstum unter dem von einigen anderen Ländern in Lateinamerika. Es ist aber immer noch hoch verschuldet. Ein weiteres Problem ist der große Beamtenapparat.

e-fundresearch: Und welche Probleme sehen Sie dann für die Türkei?

Raphael Kassin: Die Türkei ist da schon ein wenig komplizierter. Zum Beispiel was die Frage des EU-Beitritts betrifft. Ich denke, dass die Verhandlungen noch sehr lange dauern werden, da beide Seiten sehr polarisiert sind. Im Gegensatz zu Brasilien hat die Türkei ein Handelsdefizit. Das beunruhigt mich, vor allem angesichts der Höhe des Defizits (-7,3 Prozent des BIP, Anm. der Redaktion).

Auch die Zinsen sind enorm hoch, über 17 Prozent. Die Währung wertet weiter auf. Und es gibt immer die Befürchtung einer politischen Krise. Das alles stimmt uns für die Türkei sehr vorsichtig, damit wir im Falle des Falles vorbereitet sind, schnell wieder den Markt zu verlassen.

Seine Credit-Suisse-Perspektive

e-fundresearch: Welche Ziele haben Sie für den Credit Suisse Fonds?

Raphael Kassin: Ich möchte bei Credit Suisse für lange Zeit bleiben. Ich bin dort um ein neues Geschäft aufzubauen. Das soll der letzte Schritt meiner Karriere sein, hoffentlich auch noch ein langer Schritt. Ich baue gerade ein Team auf, das schlussendlich aus drei Personen bestehen soll, und der Fonds wächst weiter.

Wir sind Teil einer neuen Strategie bei Credit Suisse. Sie versuchen Manager zu holen, die neue Geschäfte aufbauen. Ich bin hier um eine solide Boutique in einem soliden Vermögensverwalter aufzubauen. Meine Ziele für den Fonds und seine Performance ist klar. Ich möchte 30 Prozent pro Jahr erwirtschaften und der Fonds soll auch doppelt so groß sein, wie jener bei ABN AMRO war, mehr als zehn Mrd. Euro.

e-fundresearch: Wie haben Sie das Portfolio seit der Übernahme geändert?

Raphael Kassin: Am 31. August war das Portfolio umsturkturiert. Alleine im September haben wir 4,7 Prozent verdient. Wir sind wieder voll im Geschäft. Argentinien, Türkei, Brasilien, Indonesien, Ecuador, all diese Länder werden unsere Gewinne sichern.

e-fundresearch: Herr Kassin. Ich danke für das Gespräch.


Weitere Informationen zu folgenden im Text genannten und von Citywire gerateten Fondsmanagern finden Sie hier:

Raphael Kassin (AA)

Eine Liste aller von Citywire gerateten Fondsmanager finden Sie hier.

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