Die Menschen in diesem Land fanden das gut. Und die großen Banken und Fondsgesellschaften auch, denn die konnten mit großzügigen Provisionen darüber entscheiden, welche Produkte am meisten verkauft werden. Und bei manchen Geschäften bekamen die Berater noch jahrelang Prämien und die Menschen, denen diese Konten gehörten, wussten nichts davon. Ihre Beratung war ja kostenlos. So ging das viele Jahre.
Eines Tages befahl der König dieses Landes, dass all diese Berater ab einem bestimmten Tag (1. November 2007) den Menschen zeigen müssen, wie viel Geld sie tatsächlich für ihre Beratung bekommen und wer für diese Beratung bezahlt. Da waren die Berater sehr erschrocken und fürchteten um den Lohn ihrer Arbeit. „Welch Geschacher wird wohl entstehen, wenn jeder Knecht und Knappe im Land sieht, wie viele Goldstücke durch ihn in meinen Beutel wandern. Am Ende will ein Jeder noch seinen Teil davon. Oder er sattelt sein Ross, um in der nächsten Stadt einen besseren Handel abzuschließen.“
Der König aber ließ sich nicht erweichen. Sein Volk solle nicht länger blind sein. Er ließ eine lange Liste schreiben, was die Berater den Menschen alles mitzuteilen hatten. „Wes Brot ich ess, dess Lied ich sing“, meinte der König und hoffte darauf, dass sein Volk erkennen würde, dass die Goldstücke seine Geschicke lenkten. „Fortan ist jeder seines Glückes Schmied, mehr kann ich als guter König nicht tun“. Sprach´s und lehnte sich zurück in seinen Thron.
Die Berater grübelten lange, wie sie mit dieser Vorschrift am besten umgehen sollten und dann wussten sie, dass ihnen gar nichts schlimmes passieren kann. Sie folgten einfach dem Befehl des Königs und schrieben ihren Kunden einen sehr, sehr langen Brief. In ganz, ganz kleiner Schrift. Darauf stand zwar „Wichtige Mitteilung – MiFid“, aber es geschah genau das, was die Berater vorhergesagt hatten: Niemand hat das Schriftstück gelesen. Oder nur ganz wenige. Die allermeisten aber holten brav ihren Locher aus dem Schrank, machten zwei Löcher in das umfangreiche Dokument und legten es in ihren Ordner zu den vielen anderen, ungelesenen Schriftstücken. Manche haben die Information sogar gleich weggeworfen, wie sie das immer tun.
Und so kam es, die Menschen in diesem Land sich weiterhin kostenlos beraten ließen und wenn sie nicht gestorben sind, dann zahlen sie noch heute – ohne es zu wissen.
Über die Person:
Heidemarie Titze ist Geschäftsführerin der Titze & Titze Finanzen GbR in Bad Soden (www.titze-finanzen.de)