Europäische Banken: Licht am Ende des Tunnels?

Bankaktien sind seit Jahresbeginn der schwächste Sektor im europäischen Aktienmarkt. Warum ist das Misstrauen der Investoren gegenüber diesen Werten wieder so groß geworden wie zuletzt nur zu Zeiten akuter Krisen? Warum zeigen die regulatorischen Maßnahmen und internen Restrukturierungen keine Wirkung? Sind Bankaktien unter diesen Umständen (dennoch) interessante Investments? "Zeit für einen Statusbericht", meint Christoph Olbrich, Kapitalmarktstratege der österreichischen Gutmann KAG in einem Gastkommentar. Markets | 03.05.2016 08:00 Uhr
Christoph Olbrich, CFA, Gutmann KAG / ©  Bank Gutmann AG
Christoph Olbrich, CFA, Gutmann KAG / © Bank Gutmann AG
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"Acht Jahre nach der globalen Finanzkrise handeln europäische Bankaktien beinahe wieder auf denselben niedrigen Kursniveaus. Die relative Bewertung anhand des Verhältnisses von Preis zu Buchwert gegenüber dem gesamten europäischen Aktienmarkt, ergibt sogar neue Allzeittiefststände.

Status Quo

Wichtigster Faktor für den scharfen Rückgang der Aktienkurse im Bankensektor sind die in den letzten Monaten deutlich abgeebbten Gewinnerwartungen. Die Gründe dafür sind neben dem allgemein schwierigen wirtschaftlichen Umfeld in Europa vor allem fundamentale Probleme in diesem Bereich. Trotz vereinzelter Fortschritte sind die meisten strukturellen Probleme nach wie vor ungelöst. Dazu zählen in erster Linie:

• Die erzielbaren Zinsmargen bleiben aufgrund der Nullzinspolitik und der flachen Zinskurve unter Druck. Das Kreditwachstum ist unterdurchschnittlich. Private Haushalte zeigten zuletzt wieder ein wenig mehr Nachfrage nach Krediten, anhaltendes Deleveraging und geringer Investitionsappetit bei Unternehmen führen aber insgesamt zu sehr geringem Kreditwachstum. Banken, welche die günstigeren Konditionen der EZB im Kreditmarkt weitergeben, kurbeln weniger die Nachfrage nach Krediten an, sondern erhöhen eher den Wettbewerb in der Branche und verringern die Profitabilität des gesamten Sektors.

• Die geringe Profitabilität erschwert den Umgang mit notleidenden Krediten, die teilweise immer noch die Bankbücher substanziell belasten. Auch der Aufbau von Eigenkapital über einbehaltende Gewinne zur Abschreibung notleidender Kredite gelingt nur sehr langsam. Solange jedoch Bankkapital in notleidenden Krediten gebunden ist, können damit keine neuen Kredite vergeben werden.

• Das Problem von Überkapazitäten und aufgeblähten Kostenstrukturen ist bisher nicht oder nicht ausreichend adressiert worden.

• Das regulatorische Umfeld mit dem Ziel die Kernkapitalquoten der Banken zu erhöhen, bleibt restriktiv. Dies führt dazu, dass zusätzliches Kapital auch bei gesunden Banken eher dem Regulator, als dem Aktionär "zufließt".

Zu den genannten Problemen kommen auch akute Themen, die den Sektor derzeit belasten. Dazu gehört die Sorge vor erhöhten Abschreibungen auf Kredite, die an Unternehmen aus dem Energie- und Rohstoffsektor vergeben wurden, sowie aufgrund der Marktturbulenzen im ersten Quartal ein diffizileres Umfeld für Investmentbanken.



Ein Markt für notleidende Kredite

Trotz dieser wenig erfreulichen Diagnose darf man nicht vergessen, dass im aktuellen Jahr auch bereits spürbare Fortschritte zu verzeichnen waren. Dazu zählen verschiedene Maßnahmen der EZB, die erkannt hat, dass der Druck auf den Bankensektor durch die Nullzins-, beziehungsweise sogar Negativzinspolitik, dem primären Ziel die Kreditvergabe anzukurbeln, entgegensteht. Ein weiterer Lichtblick primär für die italienischen Banken, deren Bilanzen in Europa am stärksten von notleidenden Krediten belastet sind, ist die Gründung des "Atlante"-Fonds, der als Eigenkapitalgeber im Notfall zur Verfügung stehen wird und italienischen Banken notleidende Kredite abnehmen soll.

Die genannten Maßnahmen sind zwar Schritte in die richtige Richtung, aber noch zu wenig, um die Bedenken der Investoren aus dem Weg zu räumen und den Sektor als Investment wieder attraktiver zu machen.


Ziel muss es letztendlich sein, dass der Markt ausreichend Gewissheit über die Werthaltigkeit der Aktiva auf den Bilanzen europäischer Banken hat. Der Königsweg dahin wäre die Ausstattung der Banken mit ausreichend Eigenkapital und die Etablierung eines Marktes für notleidende Kredite. Damit könnten faule Kredite zu Marktpreisen veräußert und entsprechend abgeschrieben werden. Die verbesserte Transparenz würde das Vertrauen der Investoren in Banken steigen lassen und in der Folge eine Konsolidierung des Sektors und den Abbau von Überkapazitäten erleichtern.

Die Aufnahme von neuem Kapital wird derzeit primär mit sogenannten Contingent Convertible Bonds (CoCo-Bonds) beschritten. Diese Hybridanleihen werden beim Eintreten von vorher festgelegten Wandlungskriterien automatisch von Fremd- in Eigenkapital gewandelt. Sie sind eine günstige Alternative für Banken um an frisches Kapital zu kommen, da sie dem Kernkapital (AT1) zugerechnet werden. Jedoch fällt es im derzeit schwierigen Umfeld vielen Banken schwer, CoCo-Bonds zu emittieren. Das Eigenkapital durch die Emission von neuen Aktien zu erhöhen, ist für die meisten europäischen Banken derzeit beinahe unmöglich. Erschwerend kommt hinzu, dass vor allem in Ländern, die von notleidenden Krediten am meisten betroffen sind, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für einen entsprechenden Markt derzeit nicht oder nicht ausreichend gegeben sind. Hilfreich für den Sektor wäre auch eine Normalisierung der Inflationsraten in Richtung des Ziels der EZB. Dies würde den Abbau der Kredit-Altlasten spürbar erleichtern, ist aber derzeit wohl nicht absehbar.

Das Umfeld für Banken in Europa dürfte also noch länger schwierig bleiben. Trotzdem gibt es aus unserer Sicht Maßnahmen, die Banken jetzt ergreifen können, um ihr Geschäftsmodell zu transformieren und an die schwierigen Marktbedingungen anzupassen. Dazu zählen vor allem ein Umdenken bei der Kreditvergabe hin zu einem risikofokussierten und nicht primär wachstumsorientierten Modell, sowie eine wirksame Transformation der Kostenstruktur durch Investments in Automatisierung und Informationstechnologie. Diesen Pfad halten wir für erfolgsversprechender als das Hoffen auf eine Erholung des Kredit- und Kapitalmarktzyklus. Allerdings halten wir den Sektor auch auf den aktuellen Kursniveaus nur für eingeschränkt attraktiv und bleiben in europäischen Bankaktien vorsichtig positioniert. In unseren Portfolios decken wir den Sektor primär über breit gestreute Investments ab, um das schwer einschätzbare Risiko in einzelnen Instituten möglichst gering zu halten. Dazu ergänzen wir ausgewählte Titel jener Banken, von denen wir überzeugt sind, dass sie sich in dem oben beschriebenen Transformationsprozess befinden oder ihr Geschäftsmodell bereits nach diesen Gesichtspunkten ausgerichtet haben."

MMag. Christoph Olbrich, CFA, Gutmann Kapitalanlageaktiengesellschaft


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