Im Zuge der sich rasant verändernden Marktrisiken, passen die führenden Zentralbanken derzeit ihre Strategie an. Die EZB blickt auf einen herausfordernden Balanceakt, indem sie das Ende ihrer expansiven Geldpolitik ankündigt und zugleich zugesichert hat, die Zinsen vorerst niedrig zu halten. Im Gegensatz dazu hat die US-Notenbank (Fed) angedeutet, dass angesichts der niedrigen Arbeitslosigkeit in den USA, möglicherweise ihrerseits eine schnellere Zinsanhebung erforderlich sein könnte.
Die abweichenden fiskalpolitischen Strategien der Notenbanken dürften zu der momentanen Stärke des US-Dollars beitragen, ein wichtiger Faktor für risikoreiche Anlagen. Zwischenzeitlich warnte sowohl die EZB als auch die Fed vor einer Eskalation der Handelsspannungen zwischen den USA und China, die signifikante wirtschaftliche Schäden anrichten und gleichzeitig Auswirkungen auf die Geldpolitik haben könnten.
Ein weiterer Unsicherheitsfaktor, der aktuell Anleger beschäftigt, ist die Reaktion der EU auf eine mögliche Krise in der Eurozone, ausgelöst durch die politische Situation in Italien. Obwohl die Märkte der italienischen Politik zwar gelassen gegenüberstehen, befindet sich die populistische Koalition mit ihrer Agenda durchaus auf Koalitionskurs zur EU. Wir halten es daher für sehr wahrscheinlich, dass sich die Stimmung gegenüber Italien in den kommenden Monaten erneut verschlechtern dürfte. Die nächste große Herausforderung könnte sich im Herbst abzeichnen, wenn die italienische Regierung ihren ersten Haushaltsplan vorlegen will.
EU-Institutionen sind mittlerweile wesentlich besser auf eine Krise vorbereitet als in den Jahren 2011/2012, wurden aber seitdem noch nicht auf die Probe gestellt – insbesondere nicht mit einem Problem in der Größenordnung Italiens. Um die Krise zu bewältigen, stehen der EZB heute mehrere Instrumente zur Verfügung, die allerdings unserer Ansicht nach alle eine ähnliche Schwachstelle aufweisen: Politische Restriktionen könnten den Einsatz und die Wirksamkeit dieser Instrumente erheblich begrenzen.
Konsequenzen für Kapitalanlagen:
- Weitere Abweichungen zwischen der europäischen und amerikanischen Zentralbankpolitik könnten den US-Dollar weiter stärken. Dies ist ein bedeutendes Risiko für risikoreichere Anlagen, insbesondere in den Schwellenländern.
- Die Besorgnis der Zentralbanken im Hinblick auf Handelsspannungen zwischen den USA und China dürfte die Geldpolitik beeinflussen.
- Italien dürfte eine Gefahr bleiben, wir halten daher eine erneute Eskalation der Marktspannungen für sehr wahrscheinlich.
- Obwohl die EZB jetzt mehrere Instrumente zur Verfügung hat, könnte ihre Fähigkeit, auf eine erneute Krise zu reagieren, durch politische Restriktionen eingeschränkt werden.
Salman Ahmed, Chief Investment Strategist, Lombard Odier Investment Managers