Europäische Kapitalmarktunion: Bedürfnisse der Anleger in den Mittelpunkt rücken

Gastbeitrag von Rhodri Preece, Leiter der Abteilung für Kapitalmarktthemen des CFA Institute in der EMEA-Region . CFA Society Germany | 13.07.2015 10:13 Uhr
©  CFA Institute
© CFA Institute
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

"Noch in diesem Jahr will die EU-Kommission einen konkreten Aktionsplan zu Umsetzung einer europäischen Kapitalmarktunion liefern. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte diese bereits in seiner Antrittsrede im Juli 2014 zum Ziel und zu einem der Kernbestandteile seiner umfassenden Investitionsoffensive erklärt. Die Realisierung soll bereits bis 2019 erfolgen.

Um Wachstum ebenso wie die Schaffung neuer Arbeitsplätze innerhalb der EU zu fördern, soll die Kapitalmarktunion „durch die Beseitigung von Hindernissen für grenzüberschreitende Investitionen einen Binnenmarkt für Kapital schaffen“ und „Zugang  zu Finanzmitteln für alle Unternehmen in Europa verbessern.“ Zentraler Faktor ist eine Diversifizierung der Finanzierungsmöglichkeiten, die insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) neue Wachstumschancen bieten kann.

Erleichterte Finanzierung für KMU

Alternative Finanzierungsformen gewinnen im Lichte erhöhter Kapital- und Liquiditätsanforderungen für Banken zunehmend an Bedeutung. Denn während in Deutschland derzeit keine Kreditklemme besteht, haben doch viele der circa 20 Millionen KMU in Europa nur erschwerten Zugang zu Innovations- und Wachstumskapital. Diese Unternehmen tragen allerdings zusammen 58 Cent pro Euro der EU-Gesamtwertschöpfung bei (Quelle: EU-Kommission). Der Handlungsbedarf ist also offenkundig.

Manche Schätzungen gehen davon aus, dass nahezu 80% der europäischen Finanzierungen von Banken kommen – in den USA sind es lediglich etwa 50%. Ein wichtiges Ziel der EU-Kommission ist es daher, mehr Unabhängigkeit von klassischen Bankdarlehen zu schaffen. Doch Europas Unternehmensanleihemärkte sind unterentwickelt. Gerade in der Entwicklung und Integration der europäischen Anleihemärkte lassen sich deshalb kurzfristig die größten Fortschritte erzielen. 

CFA Institute gibt Empfehlungen an EU-Kommission

Die EU-Kommission stellte im Februar dieses Jahres ein Grünbuch zur öffentlichen Konsultation vor. Das CFA Institute, ein globaler Non-Profit-Berufsverband für die Investmentbranche, bringt nun auf Basis einer Umfrage unter seinen Verbandsmitgliedern eine Reihe an Empfehlungen in den Diskurs ein. Befragt wurden knapp 700 Investment Manager, Finanzanalysten und professionelle Anleger aus der EU und der Schweiz. 14 Prozent der Befragten stammen aus Deutschland, 91 Prozent haben mindestens sechs Jahre Berufserfahrung in der Investment- und Finanzbranche.

Nach Überzeugung des Verbands müssen die Interessen und Bedürfnisse der Anleger Ausgangspunkt der Reformen sein. Denn die Incentivierung von Kapitalgebern (ob Kleinanleger und Sparer oder institutionelle Investoren) und deren Vernetzung mit Kapitalnehmern (Firmen) wird erfolgsentscheidend für die Kapitalmarktunion sein.

Nationale Besonderheiten bremsen Investitionen

Als größtes Hindernis für einen pan-europäischen Kapitalmarkt identifizieren 65 Prozent der Umfrageteilnehmer länderabhängig divergierende Steuergesetzgebungen. Dazu gehört die unterschiedlich hohe Besteuerung von Finanzinstrumenten innerhalb der Mitgliedsstaaten ebenso wie Steueranreize für langfristige Investitionen, die nur von wenigen EU-Ländern gewährt werden. Das CFA Institute spricht sich für Steuerreformen aus, die Anreize für Investitionen in Start-Ups, Venture Capital sowie KMU schaffen. Allerdings sind Steuerreformen Sache der nationalen Jurisdiktionen, im Rahmen der EU-Pläne für die Kapitalmarktunion kann hier also keine bindende Vorgabe gemacht werden.

Auch bestehende Regelungen zu Besitz und Übertragung von Wertpapieren erschweren den grenzübergreifenden Kapitalfluss (dies gaben 63 Prozent der Befragten an). So berichten Verbandsmitglieder, dass es nach wie vor nicht aus allen Mitgliedsländern heraus problemlos möglich ist, Staatsanleihen anderer EU-Ländern zu erwerben. Abhilfe kann hier zum Beispiel die konsequente Umsetzung der UCITS-Direktive schaffen. Obwohl diese inzwischen bereits ihre sechste Revision erfährt, weichen die EU-Mitgliedsstaaten diesbezüglich noch stark voneinander ab. Eine konsistente Implementierung der Direktive würde Berichts- und Meldepflichten standardisieren und so auch die Risikobewertung erleichtern. Dies sind ausschlaggebende Faktoren, um Vertrauen und Bereitschaft zum Erwerb von Kapitalanlagen auch außerhalb des heimischen Markts zu generieren.

Sekundärmarkt für Unternehmensanleihen: Liquidität steigern

Mangelnde Liquidität in Sekundärmärkten für Unternehmensanleihen und -verbriefungen erscheint knapp der Hälfte der Befragten (47 Prozent) als weitere Schwachstelle, während unter den deutschen Befragten nur 32 Prozent dem zustimmen.  Die Standardisierung von Anleihebegebungsverfahren, etwa hinsichtlich Prospekt- und Offenlegungspflichten, Kupons und Laufzeitstrukturen, wäre hier förderlich. Ebenso kann größere Preistransparenz zu besserer Liquidität beitragen, da Informationsasymmetrien zwischen Käufern und Verkäufern aufgehoben werden. Das ermutigt Investoren. Im Rahmen der Markets in Financial Instruments Direktive (MiFID II) werden bereits entsprechende Veränderungen angestoßen. Der Verband unterstützt die Einführung angemessener Transparenzvorschriften für den Vor- und den Nachhandel am Anleihemarkt.

Außerdem sollte der Handel mit Unternehmensanleihen im Sekundärmarkt auf elektronischen Handelsplattformen vereinfacht werden. Derzeit funktionieren Anleihemärkte vornehmlich im Austausch zwischen Anlegern und Händlern (Banken). Das schafft Abhängigkeit von der Angebotspalette der Banken. Um Märkte nachhaltig zu stärken, wäre daher die Etablierung multilateraler Handelsplattformen begrüßenswert, die Anbieter und Anleger direkt zusammenführen.

Wiederbelebung des Marktes für Verbriefungen

Einen Schwerpunkt der EU-Reformpläne rund um die Kapitalmarktunion bildet die Etablierung eines robusten und geordneten Verbriefungsmarkts. Obwohl Verbriefungsinstrumente  in der Finanzkrise teils eine unrühmliche Rolle spielten (man denke an Subprime-Hypothekendarlehen), herrscht ein breiter Konsens unter den Entscheidungsträgern, dass gut strukturierte Verbriefungsmärkte Wirtschaftswachstum anregen und Finanzierungszugang insbesondere für KMU erleichtern können.

Gerade Asset-backed Securities (ABS) müssen nun unter Beweis stellen, dass sie als Refinanzierungsmittel eine produktive Rolle für die Realwirtschaft spielen können.

Anlegern Sicherheit geben – Europa auf Wachstumskurs bringen

Von der Konsultation bis zur Realisierung einer funktionierenden Kapitalmarktunion haben sich die Experten rund um EU-Kommissionspräsident Juncker und den zuständigen Kommissar Jonathan Hill einen straffen Zeitplan gesteckt. Nächster Schritt wird die Veröffentlichung eines Aktionsplans in der zweiten Jahreshälfte sein. Das klare Bekenntnis zu Anlegerinteressen, einheitlichen Standards, Vergleichbarkeit und Transparenz wird über die Erfolgsaussichten der Initiative entscheiden."

Über den Gastautor: 

Rhodri Preece ist Leiter der Abteilung für Kapitalmarktthemen des CFA Institute in der EMEA-Region (Europa, Naher Osten, Afrika) mit Sitz in London.

Das CFA Institute ist ein globaler Non-Profit-Berufsverband für Investment Professionals mit mehr als 130.000 Mitgliedern in 147 Ländern weltweit. In Deutschland ist das CFA Institute seit September 2000 durch die CFA Society Germany vertreten, dem mit 2.200 Einzelmitgliedern größten Verband für professionelle Anleger, Investmentmanager und Finanzanalysten in Deutschland. 

Performanceergebnisse der Vergangenheit lassen keine Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung eines Investmentfonds oder Wertpapiers zu. Wert und Rendite einer Anlage in Fonds oder Wertpapieren können steigen oder fallen. Anleger können gegebenenfalls nur weniger als das investierte Kapital ausgezahlt bekommen. Auch Währungsschwankungen können das Investment beeinflussen. Beachten Sie die Vorschriften für Werbung und Angebot von Anteilen im InvFG 2011 §128 ff. Die Informationen auf www.e-fundresearch.com repräsentieren keine Empfehlungen für den Kauf, Verkauf oder das Halten von Wertpapieren, Fonds oder sonstigen Vermögensgegenständen. Die Informationen des Internetauftritts der e-fundresearch.com AG wurden sorgfältig erstellt. Dennoch kann es zu unbeabsichtigt fehlerhaften Darstellungen kommen. Eine Haftung oder Garantie für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen kann daher nicht übernommen werden. Gleiches gilt auch für alle anderen Websites, auf die mittels Hyperlink verwiesen wird. Die e-fundresearch.com AG lehnt jegliche Haftung für unmittelbare, konkrete oder sonstige Schäden ab, die im Zusammenhang mit den angebotenen oder sonstigen verfügbaren Informationen entstehen. Das NewsCenter ist eine kostenpflichtige Sonderwerbeform der e-fundresearch.com AG für Asset Management Unternehmen. Copyright und ausschließliche inhaltliche Verantwortung liegt beim Asset Management Unternehmen als Nutzer der NewsCenter Sonderwerbeform. Alle NewsCenter Meldungen stellen Presseinformationen oder Marketingmitteilungen dar.
Klimabewusste Website

AXA Investment Managers unterstützt e-fundresearch.com auf dem Weg zur Klimaneutralität. Erfahren Sie mehr.

Melden Sie sich für den kostenlosen Newsletter an

Regelmäßige Updates über die wichtigsten Markt- und Branchenentwicklungen mit starkem Fokus auf die Fondsbranche der DACH-Region.

Der Newsletter ist selbstverständlich kostenlos und kann jederzeit abbestellt werden.