Ungarn Wahl 2018: Politische Stabilität – Fluch oder Segen?

Bei den Parlamentswahlen im April 2010 stimmten die Wähler mit großer Mehrheit für die von Viktor Orbán geführte, konservative Partei. Wie hat sich Ungarn seither unter Orbáns Führung entwickelt? István Kovács, Portfolio Manager in der Erste Asset Management Ungarn gibt einen Überblick. Erste Asset Management | 06.04.2018 11:17 Uhr
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Nach der Finanzkrise in 2008 trat Premierminister Ferenc Gyurcsány zurück, und der frühere Entwicklungsminister Gordon Bajnai bildete 2009 eine Übergangsregierung. Strukturelle Veränderungen und fiskale Angleichungen wurden implementiert, doch viele Aufgaben blieben trotz der Tatsache, dass wichtige Makrozahlen signifikante Verbesserungen erfahren hatten, unerledigt. Die volkswirtschaftliche Stimmung erholte sich langsam bis 2010, und das IWF-EU-Sicherheitsnetz ermunterte Finanzinvestoren dazu, ihre Forint-Exposure beizubehalten.

Die Parlamentswahlen im April 2010 brachten keine Überraschung. Die Wähler stimmten mit großer Mehrheit für die von Viktor Orbán geführte, konservative Partei. Die neue Regierung hatte viel Arbeit vor sich: Verluste in privaten Pensionsvorsorgen, beträchtliche Kreditvolumina in Fremdwährung und reichlich uneinbringliche Kredite in Haushalten, Klein- und mittelständischen Betrieben und im Bereich der Projektfinanzierung. Darüber hinaus musste sich das Kabinett mit einem Abwärtstrend im Arbeitsmarkt, hoher öffentlicher Verschuldung, externem Finanzierungsbedarf und einem überhandnehmenden Grad an Enttäuschung seitens der Öffentlichkeit vis-à-vis den politischen Eliten auseinandersetzen.

Die aus FIDESZ und Christdemokraten bestehende Koalition ist nunmehr seit acht Jahren im Amt. Nachfolgend die wichtigsten Leistungen und Fehlschläge der FIDESZ-Ära bis dato:

  • Die wichtigste Aufgabe der Regierung war die Expansion des fiskalpolitischen Spielraums ohne Verletzung der EU-Standards und die Schaffung von fiskalem Stimulus für private Haushalte. Aufgrund der Schwäche des ungarischen Forints stand ein nicht geringer Teil der ungarischen Haushalte knapp vor der Zahlungsunfähigkeit, da die Rückzahlungen für Fremdwährungshypotheken exorbitant anstiegen.´Dies führte zu historisch niedrigem Vertrauen seitens Konsumenten und im Unternehmenssektor. Die Orbán-Regierung entschied sich zu unorthodoxen Maßnahmen, um Einkünfte innerhalb des Budgets zu generieren.
  • Einerseits besteuerte sie Finanzinstitutionen, große Einzelhandelsketten und multinationale Unternehmen und erhöhte die Umsatzsteuer von 25% auf 27%. Andererseits schuf sie die gesetzlichen Rahmenbedingungen, um Mitgliedern von Privatpensionseinrichtungen die Rückkehr ins staatliche Pensionssystem zu ermöglichen, ohne dass diese die erfahrenen Verluste realisieren bzw. übertragen mussten.

Eine große Mehrheit an Arbeitnehmern entschied sich für diese Variante, und so wurden HUF 3.000 Mrd. an Anlagen an das staatliche Pensionssystem transferiert. Staatsanleihen wurden sofort eliminiert, und in Folge dessen fiel die öffentliche Schuld um 5%. Die neuen Steuer ermöglichten es der Regierung, arbeitsbezogene Steuern zu senken und arbeitenden Familien zusätzliche Unterstützung zukommen zu lassen.

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Verwendung der EU-Strukturfonds

Die Zuteilung der EU-Strukturfonds ist ein sehr wichtiger Teil der Regierungsaufgaben. János Lázár, der mächtigste Minister der Regierung, setzte ein System auf, bei dem so viel Geld wie möglich in kürzester Zeit verbraucht wurde und koordinierte die Ausgaben hinsichtlich des Timings mit dem Wahljahr. Das System würde ohne konservative Budgetierung nicht funktionieren – selbige führt seit 2011 dazu, dass das Budget die Höchstgrenze von 3% nie erreicht. Die erste größere Leistung dieser Regierung stammt aus 2013, als die EU das gegen Ungarn wegen exzessiver Defizite eingeleitete Verfahren stoppte. Die Rating-Agenturen erkannten diesen Fortschritt an und setzten Ungarn wieder auf Investment Grade-Status.

Eine auf das Management von Fremdkapital spezialisierte Agentur setzte strategische Ziele (darunter die Implementierung verschiedener Veränderungen). Die erste Aufgabe war die Rückzahlung des EU-IWF-Kredits, der auf HUF-Emissionen basierte. Zwei strategische Partner traten daraufhin am Markt in Erscheinung und unterstützten dieses Projekt: der erste war, umfassend gesprochen, das Haushalts-Segment, welches begann, mehr in populäre Forint-Emissionen des Staats zu investieren. Der andere Partner war der Franklin Templeton-Fonds, der etwa 10% der öffentlichen Schuld Ungarns zwischen 2011 und 2014 kaufte.

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Die Regierungspartei besetzte neue Posten in der Zentralbank mit MPC-Mitgliedern, und ein neuer Gouverneur wurde im März 2013 gewählt. Der neue Führungsrat der Zentralbank wusste die internationalen Trends zu nutzen und senkte die Leitzinsen von 7% auf 0,90%. Die Inflation unterschritt das gesetzte Ziel, und das monetäre Umfeld verhalf den Renditen bei der Finanzierung von öffentlicher Schuld zur Erreichung neuer Tiefstniveaus. Die Glaubwürdigkeit der Institution stabilisierte sich, aber indirekte politische Entscheidungen untergraben diese oftmals.

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Tausch von Fremdwährungshypothekarkrediten

Die Orbán-Regierung erzielte eine ihrer größten Leistungen auf konzertierte Weise. Das Justizministerium, das Wirtschaftsministerium und die Zentralbank fanden eine für Marktteilnehmer und EU akzeptable Lösung, wie Fremdwährungshypothekarkredite in Forint-denominierte Kredite getauscht werden konnten. Die Lösung half sowohl Gläubigern als auch den Haushalten, da die Rate an faulen Krediten fiel und sich die Rückzahlungen auf niedrigerem Niveau einpendelten.

Diese wirtschaftliche Stabilisierung und die internationalen Trends haben in den vergangenen Jahren zu Wirtschaftswachstum von 3-4%, zu historisch niedrigen Arbeitslosenraten, zu einer Erhöhung des Konsums, der Industrieproduktion und der Investments, zu einem hohen Leistungsbilanzüberschuss, zu niedrigerer Staatsschuld, zu stabileren Staatsfinanzen und zu geringerer Fremdwährungs-Exposure der Haushalte geführt. All das bei 9% Körperschaftssteuer und 15% Pauschaleinkommenssteuer.

Der größte Preis, der angesichts dieses Prozesses zu zahlen war, war die sich verschlechternde Wettbewerbsfähigkeit, da die Regierung immer wieder auf ad-hoc-Basis – manchmal marktfeindliche – Maßnahmen ergriff, um politische Ziele zu erreichen. Bildung und das Gesundheitswesen sind schlecht organisiert und unterfinanziert. Die Effektivität und Fairness der EU-Fonds-Allokation sind fragwürdig und verzerren Markt und Wettbewerb. Die politische Stabilität hat zu einem System geführt, das sehr zentralisiert ist und dessen Beschränkungen nicht so sehr von Institutionen oder Prinzipien, sondern von im politischen Gefüge eingebetteten Individuen bestimmt werden.

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Veränderung der politischen Rahmenbedingungen

Parallel zum Wirtschaftsprogramm wurden auch die wichtigsten politischen Ziele verankert: eine neue Verfassung, neues Wahlrecht und ein kleineres Parlament – all dies, um das öffentliche Vertrauen in die politischen Institutionen zurückzugewinnen. Obwohl dieses Programm großteils bis Ostern 2012 verabschiedet worden war, konnte das öffentliche Vertrauen bis dato noch nicht zurückgewonnen werden, da keine der wichtigen Entscheidungen durch ein Referendum Unterstützung erhalten hätte.

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István Kovács, Portfolio Manager, Erste Asset Management Ungarn

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