„Jahresend-Rallye“ - nicht mehr als ein Mythos?

"Technisch gesehen ist das Konzept der „Jahresend-Rallye“ ein Mythos – zumindest, wenn man einen Blick auf die Empirie wirft", erklärt Erste Asset Management Aktienstratege Peter Szopo in einem aktuellen Gastbeitrag. Erste Asset Management | 30.11.2016 11:56 Uhr
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Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Peter Szopo, Erste Asset Management
Peter Szopo, Erste Asset Management
"In den letzten zehn Jahren verzeichnete beispielsweise der S&P 500 im Dezember eine Performance von durchschnittlich +1,12%, womit dieser Monat der Fünftbeste des Jahres war (siehe Abb.1). Über den gesamten Zeitraum von 2006 bis 2015 war dieser Monat kein einziges Mal unter den Siegern. 

Das Bild ist ähnlich beim Stoxx Europe 600, wo die durchschnittliche Performance im Dezember von 2006 bis 2015 +0,77% betrug. Damit liegt der Monat Dezember auch in Europa nur auf Platz fünf. Nur ein einziges Mal, im Jahr 2006, war Dezember der Monat mit der besten Monatsperformance.

Dass die Empirie die Idee einer „Jahresend-Rallye“ nicht unterstützt, stellt keine große Überraschung dar. Der Umstand, dass ein Jahr im Gregorianischen Kalender am 31. Dezember endet, ist eine der weltweit bekanntesten Tatsachen. Gäbe es einen systematischen Jahresendeffekt – also eine mehr als zufällige Chance einer Outperformance – wären Finanzmärkte grob ineffizient – was sie ganz klar nicht sind.

Aktienmärkte mit Rückenwind

Auch wenn es kein Muster (überdurchschnittlich) steigender Märkte zu Jahresende gibt, ist die Frage natürlich legitim, welche Faktoren die Aktienmärkte auf kurze Sicht beeinflussen werden.

Es gibt mehrere positive Entwicklungen, die die Aktienbörsen in den kommenden Wochen vermutlich unterstützen:

  • Die „Reflationswette“ – die Portfoliopositionierung in Hinblick auf ein Szenario, in dem eine expansive Wirtschaftspolitik und steigende Inflation die Aktienmärkte unterstützen – ist zunehmend im Fokus der Investoren. Dieses Thema tauchte im Laufe des Sommers auf und hat durch den Wahlausgang in den USA Schhubkraft bekommen. Zwar sind viele Details des Wirtschaftsprogrammes des nächsten Präsidenten immer noch offen, doch gehen Schätzungen von einem zusätzlichen Prozent Wirtschaftswachstum in den USA für 2017 und 2018 als Folge der ankündigten Infrastruktur- und Steuersenkungsprogramme aus. Diese Schritte werden zusammen mit den beabsichtigten protektionistischen Maßnahmen vermutlich zu einem Anstieg des Inflationsdrucks führen.
  • Darüber hinaus hat nicht nur der wirtschaftliche Ausblick für 2017 an Stärke gewonnen; auch die derzeitigen Wirtschaftsnachrichten in der entwickelten Welt werden besser. Die von der Citigroup zur Verfügung gestellten Wirtschaftsindikatoren (Citi Economic Surprise Indicators) haben in den USA, Europa und Japan zuletzt ins Positive gedreht.
  • Der positive Trend erhält auch durch bessere Unternehmensnachrichten Rückenwind. Die aktuelle, fast abgeschlossene Berichtssaison verlief sowohl in den USA als auch in Europa überraschend positiv. Das könnte bedeuten, dass die Gewinnrezession beendet ist.
  • Das nunmehr positivere Klima im Aktiensegment wird auch von deutlich steigenden Mittelzuflüssen in Aktienfonds bekräftigt. Der jüngste Fund Flow Monitor der Bank of America – eine Aufstellung der Zu- und Abflüsse in Investmentfonds – vom 18. November weist den größten Mittelzufluss in Aktienfonds seit über zwei Jahren (28 Milliarden US$) aus.

Risiken bleiben

Zwar deutet die Verbesserung der Fundamentaldaten auf ein insgesamt aktienfreundlicheres Marktumfeld hin, doch gibt es gute Gründe, vorsichtig zu bleiben, vor allem im Hinblick auf erhöhte Ereignisrisiken sowohl Europa als auch in den USA:

  • In Europa wird das italienische Referendum am 4. Dezember vermutlich die Märkte bewegen. Das politische Risiko in Italien könnte ansteigen, und noch wichtiger, Spekulationen um eine erneute Eurokrise in 2017 beflügeln. Allerdings führt der Brexit vor Augen, dass die Märkte scheinbar nicht allzu besorgt über langfristige Konsequenzen politischer Ereignissen für die Zukunft des „europäischen Projekts“ sind. Italien wird sich weiterhin durchkämpfen, und die möglichen Auswirkungen auf die Zukunft des Euros werden nicht gleich erkennbar sein.
  • Am 14. Dezember wird die Fed vermutlich die Leitzinsen um weitere 25 Basispunkte erhöhen. Das hat Janet Yellen, Präsidentin des Federal Reserve Boards, bereits mehr oder weniger deutlich gemacht. Marktteilnehmer haben – wie die Futures-Märkte zeigen – diesen Zinsschritt bereits zu 100% antizipiert. Das bedeutet, dass die Märkte von diesem Zinsschritt selbst nicht sonderlich überrascht sein sollten, besonders wenn er in den nächsten zwei bis drei Wochen von starken Wirtschaftsdaten begleitet wird. Allerdings könnte die Zinsvorschau der Fed für das nächste Jahr den Markt nach wie vor überraschen – beispielsweise bei einem hinsichtlich weiterer Zinserhöhungen zurückhaltenden („dovish“) Ausblick. Das könnte kurzfristig für erhöhte Volatilität sorgen.
  • Schließlich gibt hinsichtlich des Wirtschaftsprogramms des nächsten US-Präsidenten, gleichwohl es in groben Zügen bekannt ist, noch zahlreiche offene Fragen über technische Details, zeitliche Umsetzung und das verantwortliche Regierungsteam. Die US-Politik verfügt nach wie vor über ein hohes Potenzial die Anleger zu überraschen.

Die Märkte haben bereits auf das neue Szenario – „nach den Wahlen, vor Donald Trump“ – reagiert. Die wichtigsten US Aktienindizes erreichten neue Höchststände, der US-Dollar wird auf einem Vierzehnjahreshoch gehandelt, und die Renditen von US Treasury Bonds stiegen um fast 60 Basispunkte im Vergleich zu den Niveaus vor der US Präsidentschaftswahl (Abb.2). Der Umstand, dass die Volatilitätsindikatoren rasch wieder auf Vorwahlniveaus fielen – unter 13 in den USA, auf 20 in Europa – deutet darauf hin, dass die Aktieninvestoren sich dem „Reflations-Szenario“ verschrieben haben und die angeführten Ereignisrisiken nicht mit allzu großer Sorge betrachten.

Regionale Unterschiede

Im Lichte der jüngsten Trends und absehbaren Ereignissen, stellt sich der Ausblick auf kurze Sicht regional unterschiedlich dar:

  • Obwohl US-Aktien bis dato am meisten von der Nachwahl-Rallye profitierten, könnte das positive Momentum noch bis Jahresende anhalten. Der jüngste Anstieg der Renditen sowie die erwartete Lockerung des Finanzregulativs unterstützt US-Finanzwerte (ca. 15% des Gesamtmarktes) am deutlichsten. Außerdem werden US-Unternehmen die Hauptnutznießer der geplanten Infrastrukturinvestitionen sein und vermutlich von der Steuerreform profitieren. Wenngleich es Monate dauern wird, bevor sich die fiskalpolitische Expansion bei der Fiskalpolitik niederschlagen wird, tendieren die Marktrisiken in den USA bis zum Jahresende wohl nach oben.
  • In Europa wird die Performance zum Ende des Jahres vermutlich von einer Reihe Einzelereignisse abhängen. Neben dem erwähnten Ausgang des italienischen Referendums, wird das EZB-Treffen am 8. Dezember zeigen, inwieweit die Zentralbank noch immer ihrem Ziel verpflichtet ist, „alles was notwendig ist, zu tun“. Schließlich könnten die Präsidentschaftswahlen in Österreich – an sich EU-weit von bescheidener Bedeutung – als Signal interpretiert werden, wie sich populistische Strömungen bei den wichtigen Wahlen in den Niederlanden, in Frankreich und in Deutschland im nächsten Jahr schlagen werden.. Insgesamt scheinen die Risiken in Europa eher nach unten gerichtet.
  • Die Schwellenmärkte, deren Performance unmittelbar nach der Wahl bereits gelitten hat (Abb.3), werden aufgrund der Stärke des US-Dollars, der höheren US-Renditen und der verstärkten protektionistischen Tendenzen vermutlich unter Druck bleiben. Wenn allerdings Fed-Präsidentin Janet Yellen es zuwege bringt, nach einer moderaten Zinserhöhung die Märkte mit einem ebenso moderaten zu beruhigen, könnte dies für die Schwellenländerbörsen nach der jüngsten wahlbedingten Underperformance ein kurzfristiges Erholungspotential eröffnen.

Wie spannend die Frage auch sein mag, ob wir heuer noch eine Jahresendrallye an den Aktienbörsen sehen werden – viel wichtiger ist es zu verstehen, wie stark und in welche Richtung sich die Welt für Investoren über die letzten zwölf Monaten geändert hat. Bei dieser Analyse richtig zu liegen wird für 2017 und die Jahre danach die eigentliche Herausforderung."

Peter Szopo, Chief Equity Strategist, Erste Asset Management

Hinweis: Dieser Beitrag ist auch im Blog der Erste Asset Management verfügbar.

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