Das Pfund und das P-Wort

Martin Hüfner, volkswirtschaftlicher Berater des führenden österreichischen Discount-Brokers direktanlage.at, warnt vor Anlagen im britischen Pfund. Es spreche derzeit wenig für eine Erholung der Währung auf den Devisenmärkten. Funds | 26.01.2009 04:55 Uhr
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- Fundamental spricht im Augenblick wenig für eine Erholung des Pfund Sterling auf den Devisenmärkten.

- Ein Beitritt Großbritanniens zur Europäischen Währungsunion wäre volkswirtschaftlich sinnvoll, ist politisch aber nicht wahrscheinlich.

- Seien Sie vorsichtig mit dem Kauf von britischen Anleihen. Wechselkursrisiken könnten Ihnen die Freude an höheren Renditen vergällen.

Das P-Wort und der Absturz des Pfund

Vor einem Jahr fragte mich ein Kollege in London, ob ich mir das „P-Wort“ in absehbarer Zeit vorstellen könne (also einen Pfundkurs in Höhe der Parität zum Euro). Schon damals war die britische Währung relativ schwach (0,75 Pfund je Euro). Ich hielt eine weitere Abwertung in einer solchen Größenordnung für wenig wahrscheinlich. Wie man sich täuschen kann! Am 30. Dezember war der Pfundkurs bis nahe an die Parität (0,97) gefallen. Das war sicher das überraschendste und herausragendste Ereignis auf den Devisenmärkten des Jahres 2008. In der britischen Presse, die bekanntlich gerne zur Übertreibungen neigt, war schon vom „Zero-Pound“ die Rede. In den ersten Tagen des neuen Jahres hat sich der Kurs nun etwas gefangen und ist wieder unter 0,90 gefallen. Ist das die Trendwende? Können wir uns in Zukunft wieder auf ein stärkeres Pfund einstellen?

Wie wird die nähere Zukunft aussehen?

Kurzfristig sieht es nicht gut aus. Die Konjunktur in Großbritannien ist schwach. Im dritten Quartal verringerte sich das reale Bruttoinlandsprodukt um 0,5%, mehr als doppelt so stark wie in der Eurozone.

Die Inflation ist nach wie vor sehr hoch (4,1%). In den USA ist sie inzwischen auf 1,1%, auf dem Kontinent auf 1,6% gefallen. Die Handelsbilanz weist ein Defizit von 180 Mrd Dollar aus. Der Fehlbetrag in der Leistungsbilanz ist zwar nicht so hoch. Er macht aber doch 3% des Bruttoinlandsprodukts aus. Die Bank von England hat die Zinsen in dieser Woche noch einmal um einen halben Prozentpunkt auf 1,5% gesenkt. Auch das ist nicht geeignet, die Währung zu stützen.

London, das neue Shopping-Ziel?

Freilich muss man bei kurzfristigen Wechselkursprognosen mit solchen volkswirtschaftlichen Argumenten vorsichtig sein. Am Devisenmarkt spielen viele Dinge eine Rolle, die wenig mit den Fundamentalfaktoren zu tun haben. Der Markt hat sich mit den schlechten Nachrichten abgefunden. Die Abwertung in den letzten Monaten verlief so schnell, dass eine Pause fällig war. Der aktuelle Wechselkurs liegt inzwischen deutlich unter der Kaufkraftparität (0,77). Bei einem solchen Kurs müssten Touristen eigentlich nach London zum Einkaufen fahren, nicht mehr nach New York.

Freilich ist London in allem immer noch recht teuer. Insgesamt kann das Pfund noch etwas aufwerten. Es würde mich aber wundern, wenn wir in den nächsten Wochen wieder die Kurse sehen würden, die wir vor einem Jahr gewohnt waren.

Geschichte des Pfund und seiner Wertentwicklung

Schaut man sich die längerfristige Entwicklung des Pfundes an, so ist das Bild nicht viel besser. Die letzten 60 Jahre sind eine Geschichte der Abwertungen. Gemessen an einem fiktiven Euro lag der Wechselkurs Anfang der 50er Jahre bei 0,08 Pfund (oder wer sich daran noch erinnert: bei 1 Schilling und 6 Pence). Zwanzig Jahre später waren es 0,12 Pfund. Mitte der 90er Jahre – nach der dramatischen Pfundkrise des Jahres 1992, in der der amerikanische Investor George Soros sein Vermögen gemacht hatte – erreichte der Wechselkurs fast 0,50.

Danach gab es eine Stabilisierung, mit der viele den Abwärtstrend als beendet ansahen. Großbritannien hatte sich wirtschaftlich erholt. Sein reales Bruttoinlandsprodukt stieg über Jahre mit Raten, von denen Kontinentaleuropa nur träumen konnte. Das war zum Teil eine langfristige Folge der Thatcherschen Reformen, zum Teil auch der Aufbruchsstimmung unter Tony Blair. Ganz wichtig war aber der einsetzende Boom bei den Banken. London entwickelte sich zu Europas Finanzplatz Nr. 1. Es war in der Lage, Geschäft aus New York abzuziehen.

Finanzkrise schwächte den Pfund

Mit dieser Bonanza war es im Sommer 2007 vorbei. Mit der Finanzkrise knickte auch das Pfund ein. Es ist nicht damit zu rechnen, dass sich das so schnell ändern könnte. Die Finanzkrise ist wie wir wissen nicht nur ein vorübergehender Betriebsunfall. Die Finanzindustrie wird insgesamt an Bedeutung verlieren.

Kapazitäten werden abgebaut. Das trifft vor allem den Platz London. Wichtig ist vor allem, dass Großbritannien über keine große Verarbeitende Industrie verfügt, die das verlorengegangene Terrain bei den Banken wettmachen könnte. All das schlägt sich im Wechselkurs nieder.

Krisenmanagement in Großbritannien vorbildhaft

Beim Management der Krisen hat sich die britische Regierung in den letzten Monaten positiv hervorgetan. Sie war die erste, die ein Rettungsprogramm für die Banken entwickelte, das sich als tragfähig erwies und auch von anderen übernommen wurde. Sie war es auch, die bei den Konjunkturprogrammen in Europa Druck machte. All das hat die Devisenmärkte aber wenig beeindruckt. Es waren insgesamt auch keine besonders mutigen und innovativen Schritte. Sie waren lediglich etwas besser und schneller als das was die anderen Regierungen taten. Zur nachhaltigen Erneuerung Großbritanniens bedarf es mehr. Letztlich muss es gelingen, London neu zu positionieren. Es muss ein Ersatz für seine Attraktivität als Finanzzentrum gefunden werden.

Wechsel vom Pfund zum Euro?

Mit der Pfundschwäche ist das Thema eines Beitritts zum Euro wieder aktuell geworden. Objektiv gesehen wäre das gerade jetzt vernünftig. Großbritannien könnte einen Wechselkurs festschreiben, der seiner Industrie einen Wettbewerbsvorteil bietet. Es bekäme Rückenwind bei den notwendigen Strukturreformen zur Senkung der öffentlichen Defizite und zur Reduzierung der Inflation. Es würde sich bei der Finanzierung seiner Fehlbeträge in den öffentlichen Haushalten leichter tun. Ein Drittel aller Staatspapiere im Vereinigten Königreich werden von Ausländern gehalten. Zudem würde es dem Kapitalmarkt helfen. Zusammen mit dem Kontinent könnte ein europäischer Kapitalmarkt erstmals wirklich mit dem amerikanischen mithalten.

Die Vorteile des Euro für England und die Vorbehalte

Als Mitglied von Euroland wäre England auch als Platz zur Anlage von Währungsreserven attraktiver. Derzeit werden rund 28% der Weltwährungsreserven in Euro angelegt, knapp 5% in Pfund. Last but not least hätte England in Brüssel – und natürlich auch bei der EZB in Frankfurt – mehr zu sagen.

Die Argumente, die auf der Insel dagegen vorgebracht werden, sind seit Jahren dieselben: die Angst vor dem Verlust der geldpolitischen Souveränität, die geringe Popularität des Euro, der Widerstand der Regierung Brown etc. Letztlich heißt das nichts anderes als: Wir wollen nicht. Eine solche Haltung trägt nicht dazu bei, Investoren zu überzeugen und das Pfund attraktiver zu machen.

Tipp für Anleger

Die Folgen für den Anleger: Seien Sie vorsichtig mit Spekulationen auf eine Pfundaufwertung. Auch wenn britische Staatspapiere derzeit ein wenig mehr Zinsen bringen, sind sie für kontinentaleuropäische Anleger keineswegs attraktiver. Zinsvorteile können durch Wechselkursbewegungen schnell aufgefressen werden.

 


 

Zum Autor: Martin Hüfner war viele Jahre Chefvolkswirt bei der HVB und Senior Economist bei der Deutschen Bank. Heute berät er Finanzdienstleister und schreibt für verschiedene Publikationen. Hüfner ist seit 2006 volkswirtschaftlicher Berater des führenden österreichischen Discount-Brokers direktanlage.at.

 


 

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