Gröschls Mittwochskommentar: 30/2022

Der wöchentliche Blick auf die Märkte, (Geo-)Politik, Known Unknowns und andere wichtige Entwicklungen. Verfasst von e-fundresearch.com Gastautor Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH. Markets | 27.07.2022 11:46 Uhr
Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH / © e-fundresearch.com & interfoto
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So wieder da, schön war´s! :-) Viel Neues ist ja nicht passiert, Putin berserkt immer noch in der Ukraine, die Inflation hat alles fest im Griff und die vereinigten Zentralbanken, hangeln sich von einer Zinserhöhung zur nächsten. Letztes Mitglied im Club der Tighter ist nun endlich auch die EZB, die in einem mutigen Schritt gleich 50bps gemacht hat. Gut so! Die Normalisierung auf den Zinsmärkten wird und sollte unbedingt auch noch eine Zeit lang weitergehen. Ob man da im ersten Anlauf gleich das perfekte Equilibrium treffen wird, ist natürlich eher unwahrscheinlich, insbesondere auch deshalb, weil der Markt – völlig unverständlicherweise – zu glauben scheint, dass Zinserhöhungen irgendwelche kurzfristigen Auswirkungen haben. Das dauert immer 12 bis 18 manchmal sogar 24 Monate, bevor sich die Ökonomien an das neue Umfeld anpassen und sich einbremsen.

Die Gretchenfrage ist, wie stark ist die Wirtschaft wirklich, ie wieviele Zinserhöhungen verträgt sie, bevor sie sich in eine Depression verabschiedet? Nun persönlich scheint mir, dass wir es mit einem außerordentlich resilienten Zyklus zu tun haben, der durchaus einen mittelstarken Druck auf´s Bremspedal aushalten sollte. Insbesondere der Arbeitsmarkt ist hüben wie drüben so eng, wie ich das in meiner aktiven Erinnerung noch nie erlebt habe. Anekdotisch kann ich hier berichten, dass zumindest in Teilen der USA auf nahezu jedem G´schäftl steht, dass Personal aufgenommen wird. Die britischen Eisenbahner sind mit acht Prozent Lohnerhöhung unzufrieden und in Deutschland stehen in der Hauptreisezeit die Flughäfen still. Natürlich ist die Inflation extrem hoch, aber zumindest die Rohstoffkomponente wird Basiseffekt-technisch zurückkommen und was bleiben könnte, sind mittelfristig höhere Reallöhne mit höherer Kaufkraft und einer stabilen Nachfrage.

Klar kann die ganze Chose auch den Bach hinuntergehen, aber das dürfte nur dann passieren, wenn die Finanzmärkte, insbesondere auch auf der Staatsanleihenseite, die Flinten ins Korn werfen, wonach es momentan aber nicht ausschaut. oder aber es zu einem anderen punktuellen Ereignis kommt, dass den Glauben an einen positiven Ausgang der ganzen Geschichte tiefgreifend erschüttert. Schwierig wird´s dann, wenn Herr Musterfrau erkennt, dass es nichts mehr zu fordern gibt und jeder um sein eigenes Leiberl rennt, aber nicht so lange Gewerkschaften glauben, dass acht Prozent Lohnerhöhung zu wenig sind. Angst vor der Lohnpreisspirale? Natürlich, aber nach dreißig plus Jahren der Reallohnverluste im Mittelbau der Steuerzahler, können wir mit ein bisserl mehr Arbeitseinkommen und (ich schreib jetzt das böse Wort ;-)) einem gewissen Maß an Umverteilung wahrscheinlich doch ganz gut leben.

Bleibt die Nachfrage stark und steigen die Löhne an der Inflationsrate (hier gälte es natürlich die einzelnen, für die Verbraucher tatsächlich relevanten Warenkörper genau anzuschauen), werden auch die steigenden Hypotheken Zinsen nicht zum Problem. Natürlich wird und muss es diejenigen ausspülen, die sich verzockt haben, ob jetzt mit dem 5er BMW auf Leasing oder Bitcoin als Tilgungsträger für die Hypothek, aber auch das steht schon bei Matthäus und Lukas (Haus & Sand und so… :-)). Ob das gleichermaßen für die diversen Schurkenstaaten rund um den Globus gilt, die in den vergangenen 15 Jahren Geld gedruckt haben, als gäbe es kein Morgen, wird sich erst noch herausstellen. Dankenswerterweise hat Kollege Draghi, der sich ja jetzt zu einem etwas fragwürdigen Zeitpunkt verabschiedet hat, uns vor zehn Jahren das Instrument der „Wahtever it takes“ Politik an die Hand gegeben und solange wir dran glauben, dass das auch reichen wird, sind wir alle safe. Ob Matthäus, Lukas, Christine oder Jerome, wer stark im Glauben ist, braucht sich nicht zu fürchten. :-)

Apropos Glauben: Warum glauben eigentlich scheinbar die meisten, dass der Russe weiter uneingeschränkt Gas liefern würde, damit die Europäer munter ihre Speicher füllen, um dann ihrerseits im Herbst sagen zu können, dass sie nun auf die Abnahme russischen Gases verzichten? Scheint mir nicht ganz unlogisch, dass man da aktiv die Liefermengen reduziert, damit genau das nicht eintritt. Es bedarf nicht einmal irgendwelcher Intelligence, geben unsere diversen Volxvertreter:innen den aktuellen Stand der Speichermengen und die Zeit, die man glaubt bei einem kompletten Lieferstopp damit durchzukommen, arbeitstäglich über die Medien bekannt. Also quasi nur ein Job für Putins Enkel(innen?), die ja auch schon in der Schule sein müssten, mit ihrem Rechenschieber auszurechen, wieviel der Opa liefern darf, damit alle gerade noch gesprächsbereit bleiben.

Aber noch ist schließlich Sommer und auch wenn Brennholz das neue Klopapier ist, genießen wir die Wärme und hoffen, dass der Klimawandel uns über den Winter hilft, wenn es Vladimir nicht tut, bevor der Neusiedlersee endgültig ausgetrocknet ist und wir erkennen müssen, dass man Gas (auch als LNG ;-)) nicht trinken kann. So oder so ähnlich… :-) Würde diesfalls den Jammerant:innen empfehlen, sich den Spritpreis einmal inflationsbereinigt anzuschauen. Da geht noch einiges, bevor wir, verglichen mit der Historie, wirklich teuer werden.

Glück auf!

Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH

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