Marktausblick Rentenmärkte
USA
Der ISM-Index für das Verarbeitende Gewerbe verharrte im August mit 49,6 Punkten den dritten Monat in Folge unter der 50 Punkte-Schwelle. Die Auftragseingangskomponente (47,1 Punkte) und die Produktionskomponente (47,2 Punkte) deuten auf eine leicht rückläufige Produktion im Verarbeitenden Gewerbe hin. Der ISM-Index für das Nicht-Verarbeitende Gewerbe erholte sich dagegen im August und legte um 1,1 auf 53,7 Punkte zu. Beide Stimmungsbarometer zeigen damit in Summe weiter ein konjunkturelles Tempo von annualisiert rund 2 % Zuwachs des realen Bruttoinlandsproduktes pro Quartal an.
Eine echte Enttäuschung hielt zum Wochenende die wichtigste Datenveröffentlichung dieser Woche, der Arbeitsmarktbericht August parat. Gegenüber Juli wurden netto nur 96 Tsd. Stellen aufgebaut. Zudem wurde der ursprünglich für Juli und Juni gemeldete Anstieg um je 20 Tsd. Stellen nach unten revidiert. Die Arbeitslosenquote sank dank eines kräftigen Rückgangs des Erwerbspersonenpotenzials dennoch um 0,2 Prozentpunkte auf 8,1 %.
In der nächsten Woche stehen zahlreiche Konjunkturdaten auf dem Programm. Die wichtigste Veröffentlichung stellen dabei die Einzelhandelsumsatzzahlen für August dar (Fr). Nachdem diese bereits im Juli nominal kräftig gestiegen waren, rechnen wir auch für August mit einem erheblichen Plus. Anders als im Juli dürfte von diesem Plus in realer Rechnung aber nicht allzu viel übrig bleiben, da auch die Verbraucherpreise kräftig zugelegt haben. Für den privaten Konsum zeichnet sich somit im laufenden Quartal weiter ein geringfügig höherer Anstieg ab als im Zeitraum April bis Juni. Dass sich der private Konsum weiterhin eher kraftlos entwickelt und nicht zum großen Konjunkturtreiber aufsteigen wird sollte auch die vorläufige Umfrage zum Verbrauchervertrauen der Universität von Michigan für September widerspiegeln (Fr). Aufgrund der merklichen Eintrübung der wöchentlichen Bloomberg-Umfrage (früher ABC), des jüngsten Rückgangs des Verbrauchervertrauensindikators des Conference Boards sowie des 12 %igen Kraftstoffpreisanstiegs seit Anfang Juli rechnen wir anders als der Konsens mit einer sichtbaren Stimmungseintrübung. Wichtig mit Blick auf die BIP-Zahlen für das dritte Quartal sind die am Dienstag anstehenden Handelsbilanzdaten für Juli. Nachdem sich das Handelsbilanzdefizit im Juni kräftig verringert hatte, rechnen wir für Juli mit einem in etwa unveränderten Wert von USD 43 Mrd. Im August und September dürfte sich das Defizit nicht zuletzt wegen des starken Ölpreisanstiegs im Juli und im August wieder spürbar ausweiten. Wie erwähnt ist die Produktionskomponente im ISM-Index für das Verarbeitende Gewerbe im August merklich gesunken. Wir rechnen daher für die Industrieproduktion August (Fr) nach dem übertrieben starken Anstieg im Juli mit einer Kontraktion im Vormonatsvergleich. Schließlich steht nächste Woche auch der komplette Datenkranz zur Preisentwicklung im August an. Den Auftakt machen die Importpreise (Mi), gefolgt von den Erzeugerpreisen (Do). In beiden Fällen rechnen wir aufgrund des starken Ölpreisanstiegs der letzten Wochen mit einem spürbaren Anstieg der Vormonatsrate. Auf beiden Preisstufen wird die Vorjahresrate über dem Wert vom Juli liegen. Auch bei den Verbraucherpreisen (Fr) rechnen wir im Vormonatsvergleich mit einem spürbaren Anstieg (+0,6 %, saisonbereinigt). Die Vorjahresrate dürfte von 1,4 % auf 1,7 % zugelegt haben. Das zyklische Tief in der Preisentwicklung ist damit auf allen Ebenen durchschritten. Insbesondere die Preisexplosion bei zahlreichen Nahrungsmittelpreisen dürfte die Teuerung in den nächsten Monaten weiter befeuern.
Das mit Abstand wichtigste Ereignis in der nächsten Woche ist aber sicher die FOMC-Zinsentscheidung am Donnerstag. Im Anschluss an die Jackson Hole Rede von Fed-Präsident Bernanke sowie mit Blick auf großangelegten Wertpapierkäufen weitere wohlwollende Meldungen diverser regionaler Fed-Präsidenten erwarten inzwischen zahlreiche Beobachter die Ankündigung von QE3. Nach den heutigen enttäuschend schwachen Arbeitsmarktzahlen hat die Wahrscheinlichkeit für eine solche Ankündigung weiter zugenommen. Wir sehen die Chance, dass diese Keule schon jetzt ausgepackt wird bei 50 %. In jedem Fall wird die Fed am Donnerstag eine Ausweitung des Zeitraums, für den sie ein Festhalten an der gegenwärtigen Nullzinspolitik für notwendig hält von Ende 2014 auf Mitte bis Ende 2015 bekanntgeben.
Die Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen beschleunigte ihre Aufwärtsbewegung im Anschluss an die gestrige EZB-Pressekonferenz und kletterte verglichen mit Ende letzter Woche zwischenzeitlich um 15 Basispunkte auf 1,72 %. Im Anschluss an den enttäuschenden Arbeitsmarktbericht ging es aber wieder auf 1,62 % zurück. Wir halten an unserer Prognose fest, dass sich die Lage in den USA um den Jahreswechsel noch einmal zuspitzt. Nach der Präsidentschaftswahl Anfang November dürfte sich das politische Gezänke um die Entschärfung der sogenannten fiskalischen Klippe sowie die Anhebung der Schuldenobergrenze bis ins Jahr 2013 hinziehen. Insbesondere im ersten Quartal 2013 dürfte die USKonjunktur daher einen empfindlichen Dämpfer erhalten. Spätestens dann wird die US-Notenbank eine weitere Runde großangelegter Wertpapierkäufe (QE3) ankündigen. Da aber mit der Ankündigung der EZB vom Donnerstag ein wesentlicher Unsicherheitsfaktor für die Rentenmärkte ausgeräumt ist und US-Staatsanleihen in ihrer Funktion als sicherer Hafen weniger gefragt sein sollten, halten wir es aber nicht mehr für wahrscheinlich, dass die 10jährige Rendite im vierten Quartal bis auf 1 % absackt. Stattdessen sollte sie nur auf Werte um das bisherige Allzeittief von 1,4 % zurückgehen. Mit der Umsetzung von QE3 und einer politischen Einigung zur Entschärfung der fiskalischen Klippe sollte die 10jährige Rendite dann bis Mitte 2013 auf rund 2 % zulegen. Die neuen Prognosen werden wir in Kürze publizieren.
Eurozone
In der abgelaufenen Woche stand die Sitzung der EZB im Blickpunkt. Die Notenbank deutete keine baldige weitere Senkung des Hauptrefinanzierungssatzes an. Zwar ist die Tür für eine nochmalige Zinsreduktion angelehnt, angesichts der von uns erwarteten Inflationsentwicklung dürfte die Notenbank aber davon Abstand nehmen. Das neue Anleihekaufprogramm der EZB stellt einen „Game Changer“ im Krisenmanagement dar. Demnach wird die EZB für Länder, welche einen strikten und von außen überwachten Reformkurs verfolgen (EFSF/ESM Programme), die Zinskosten niedrig halten. Somit entfällt für Euroländer das Risiko von Liquiditätsengpässen bei der Refinanzierung von Staatsschulden bzw. das Solvenzrisiko aufgrund überhöhter Zinskosten. Anders ausgedrückt: Die EZB kauft Zeit, um die zugrundeliegenden Probleme in der Real- und Finanzwirtschaft zu lösen. Gefährlich wird diese Strategie, sollten Regierungen notwendige Reformen verschleppen. Zwar betont die Notenbank, ihre Unterstützung jederzeit beenden zu können. Wie schwer dies ist, sieht man aber an den Hilfsprogrammen für Griechenland.
Für den Sekundärmarkt ziehen wir folgende Schlussfolgerungen: Marktteilnehmer dürften früher oder später die impliziten Zinsobergrenzen der EZB austesten. Sollten zudem private Gläubiger aus Kerneuropa ihre Ausleihungen an die Staaten in Südeuropa weiter reduzieren, so müssen diese ersetzt werden. Die Notenbank wird in den kommenden Monaten also am Markt eingreifen. Damit wird sich das Risiko auf der EZB Bilanz erhöhen und sich somit der „Safe Haven“ Abschlag bei Ländern wie Deutschland, Österreich, Finnland oder Niederlande reduzieren. Aus der neu geschöpften Notenbankliquidität entsteht zudem für „sichere Häfen“ kein Rückenwind. Diese wird von der Notenbank eingesammelt und kann - anders als bei den langjährigen Refinanzierungsgeschäften - nicht in weiterer Folge in „sichere“ Staatsanleihen fließen. Wir empfehlen, sich auf eine Aufwärtskorrektur bei den Euribor-Sätzen von rund 20 Basispunkten einzustellen, welche sich auf einen Zinsschritt auf 0,50 % eingerichtet hatten. Deutsche Anleihenrenditen dürften quer über alle Laufzeiten um weitere 20 bis 30 Basispunkte ansteigen.
Bei den Daten der kommenden Tage stehen die endgültigen Werte zur Inflationsrate im August und die Industrieoutputzahlen für Juli im Vordergrund. Die Details zur Teuerungsentwicklung werden Energie und Nahrungsmittelpreise als Treiber des zuletzt gesteigerten Preisauftriebs ausweisen. Umfragen weisen in Italien auf einen weiteren Rückfall der Industrieproduktion im Vergleich zum Vormonat hin, für den gesamten Euroraum erwarten wir aufgrund der vorliegenden Ergebnisse in Deutschland, Spanien und den Niederlanden ein kleines Plus. Der Beschäftigungsrückgang im Euroraum hat sich im zweiten Quartal wohl fortgesetzt.
Am Primärmarkt ist nach der missglückten Auktion in der Vorwoche die Anleiheemission Deutschlands interessant. Weiters begeben die Niederlande, Italien und Belgien Anleihen. Deutschland, Frankreich, Griechenland, Slowenien und Italien werden zudem am Geldmarkt aktiv.
Marktausblick Aktienmärkte
Etablierte Aktienmärkte
Die abgelaufene Woche brachte an den etablierten Aktienmärkten der Welt in Summe ordentliche Zuwächse. Der breit gefasste S&P 500 konnte im Anschluss an die EZB-Sitzung gar den höchsten Stand seit 2008 markieren, der DAX erreichte ein Jahreshoch.
Neben dem Nachrichtenfluss zu den Vorhaben der europäischen Notenbank standen auch gewichtige Konjunkturdaten im Fokus. Diese offenbarten anhand der Einkaufsmanagerindizes, dass sowohl in Europa als auch in Asien und den USA (siehe Grafik) das Wirtschaftsumfeld aktuell weiter an Fahrt verliert.
Ein diesbezügliches Warnsignal sendete dann auch FedEx. Das weltweit zweitgrößte Logistikunternehmen, welches als globales Konjunkturbarometer betrachtet wird, stutzte seine Geschäftsprognose. Interessant ist in dieser Hinsicht auch der Umstand, dass der gewöhnlich dem Gesamtmarkt vorauslaufende - weil konjunktursensitive - Dow Jones-Transportindex seit Jahresbeginn lediglich ein halbes Prozent im Plus liegt, wohingegen der Dow Jones Industrials rund 9 % zulegte. Angesichts dieser Voraussetzungen ist auch in den kommenden Monaten weiter mit negativen Gewinnrevisionen rund um den Globus zu rechnen.
Bedenklich stimmt auch, dass die vom Timing her für gewöhnlich äußerst geschickt agierenden Unternehmensinsider die aktuellen Kursanstiege überwiegend zum Anlass nehmen, Aktien ihrer Unternehmen zu verkaufen. Positiv ist hingegen, dass die nun angekündigten Krisenmaßnahmen der EZB entgegen unserer bisherigen Ansicht als ausreichend erscheinen, um zumindest temporär eine weitere Eskalation in der Staatsschuldenkrise zu vermeiden. Gleichzeitig warten aber in der konkreten Umsetzung hin zu nachhaltigen Lösungen noch viele Stolpersteine.
Aufgrund der oben genannten Faktoren verfallen wir für den weiteren Jahresverlauf nicht in Euphorie, wenngleich die Entwicklung wohl milder ausfallen wird, als es unsere aktuellen Kursziele nahelegen würden. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass eine abermalige Zuspitzung der Verschuldungskrise in den Herbstmonaten nun deutlich weniger wahrscheinlich erscheint.
Raiffeisen Capital Management Marktbericht per 07. September 2012